Kunstsammlung NRW
Transsolar + Tetsuo Kondo. Cloudscapes 2015 Foto: Harald Völkl / © ZKM | Karlsruhe
worldwide

Zarte Cloudscapes und wummernde Datenströme: Ein erster Besuch auf der GLOBALE im ZKM Karlsruhe

Eine Wolke im Museum, dröhnende Datenströme als überwältigende Demonstration der mächtigen Digitalisierung und Bruno Latours Aufforderung nach dem Reset der Moderne haben eins gemeinsam: sie machen sichtbar, greifbar und diskutierbar, welche Auswirkungen das Digitale im Kontext der Globalisierung auf uns hat. Mitte Juni wurde die 300 Tage andauernde GLOBALE in Karlsruhe eröffnet um Fragen dieser Art zu stellen.

Arnika Fürgut hat sich für #32 dort auf einem ersten Rundgang zwei Ausstellungsprojekte angesehen.

Googelt man den Begriff der „cloud“, muss man zahlreiche Treffer zu „cloud computing“, Apples’ „icloud“ und der „cloud“ weiterer Software Anbieter überspringen, bis man endlich bei der tatsächlichen Übersetzung, der Wolke, ankommt. Bei der Bildersuche verhält es sich anders, sofort werden Fotografien und Grafiken von natürlichen Wolken angezeigt.

Aber was haben sie eigentlich gemeinsam, die Wolken unserer Daten mit denen, die wir unter anderem mit den Schadstoffen der Server, die diese Daten verarbeiten, in unserer Atmosphäre erzeugen?
Wie flüchtig, ungreifbar, elementar, kleinteilig und doch ausschlaggebend, sind die „Daten“ in unseren clouds?
Wie viel Einfluss nehmen sie auf unser Klima – das natürliche und das digitale? Und welche Rolle spielen wir dabei – die des Wanderers über dem Nebelmeer oder der schadstoffausstoßenden Verschmutzungsindustrie?

Um Fragen wie diese zu stellen, haben das Architekturbüro Transsolar und der Künstler Tetsuo Kondo im ZKM eine Wolke nachgebaut – nicht aus personalisierten Benutzerdaten, sondern aus Wasserstoff und Sauerstoff.

Transsolar + Tetsuo Kondo. Cloudscapes 2015 Foto: Harald Völkl / © ZKM | Karlsruhe

Während die tatsächliche, die „echte“ Wolke im Lichthof der alten Munitionsfabrik leichte, sich verflüssigende, fast transparente Datenströme visualisiert, überfällt uns das wummernde und wuchtige Dröhnen Ryoji Ikedas in Zusammenarbeit mit dem Teilchenforschungslabor CERN entstandenen micro/macro  fast schon bedrohlich.

Auf einer riesigen Projektionsfläche, geblendet von vorbeirauschenden Datenströmen und regelmäßigem Fiepen, fühlt sich der Besucher wie auf einem übergroßen Scannerband, wird selbst zur kleinsten Dateneinheit. Im dahinterliegenden Raum blendet eine monumentale Leinwand, die ähnliche Datenmengen in so schneller Geschwindigkeit verarbeitet und ausspielt, dass wir nicht anders können als mit der eignen Langsamkeit und menschlichen Ungenügbarkeit konfrontiert zu werden.

Ryoji Ikeda, micro | macro 2015 Foto: Fidelis Fuchs / © ZKM | Karlsruhe
Ryoji Ikeda, micro | macro 2015 Foto: Fidelis Fuchs / © ZKM | Karlsruhe

Unsere Augen sind zu langsam, unsere Ohren zu empfindlich, unsere Hände zu unpräzise, unsere Kombinationsmöglichkeiten und Rechenprozesse zu eingeschränkt, unsere Datenverarbeitung ist zu lückenhaft, fehleranfällig und träge. Die ganze Macht des Computers, der Rechenmaschine, des Digitalen wird hier spürbar – ähnliches hatte Ikeda wohl im Sinn, so schreibt Peter Weibel:
„Ikedas neue Arbeiten basieren auf den Prinzipien der Teilchenphysik und Kosmologie und visualisieren (...) die unterschiedlichen Maßstäbe und Größenordnungen des Universums."  Das Universum zu berechnen würde einem menschlichen Gehirn wohl nur schwer gelingen, Computern wird dies uneingeschränkt zugetraut.

Ikeda bezeichnet sich selbst als einen der ersten „Datenkünstler“ und eröffnet mit seinem Werk als Prolog die GLOBALE Ausstellung Infosphäre (ab dem 4. September 2015). Unter diesem Begriff versteht Weibel eine digitale Sphäre, „(...) die für das Leben von sieben Milliarden Menschen auf dieser Erde ebenso notwendig geworden ist wie die Atmosphäre.“

Wir dürfen gespannt sein, was sich darin noch so tummelt.

Text: Arnika Fürgut

 

Die GLOBALE in Karlsruhe läuft vom 19. Juni 2015 bis zum 17. April 2016 und beinhaltet neben großen Ausstellungsprojekten im ZKM wie „Exo-Evolution“, zu der Tomás Saraceno eine begehbare dreidimensionale Netzskulptur beitragen wird, „Infosphäre“ und „Global Control und Censorship“ zahlreiche Performances, Konzerte, Konferenzen, Vorträge, Forschungspräsentationen und Konzerte.

http://zkm.de/globale

Ryoj Ikeda sorgte vor zwei Jahren mit der Großinstallation “Test Pattern 100 m“ im Programm der Ruhrtriennale für Aufsehen. Die sich auf eine Länge von mehr als 100 m erstreckende audiovisuelle Arbeit wurde von den Besuchern mit dem ganzen Körper erfahren und war zugleich beliebtes Fotomotiv.

http://www.ryojiikeda.com/

Das Ingenieursbüro Transsolar mit Büros in Stuttgart, München, New York und Paris hat sich ökologischen Bauprojekten verschrieben und verfolgt das ehrgeizige Ziel, „das Klima in Städten so zu beeinflussen, dass der globale Fußabdruck so klein wie möglich bleibt.“

http://transsolar.com/de