Kunstsammlung NRW
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Worldwide: Wael Shawkys Kreuzzüge in Katar

Von Düsseldorf über New York nach Doha pendelte der Künstler Wael Shawky in den vergangenen Monaten. Die einzigartigen Glas-Marionetten, seine auf Murano entstandenen Akteure, die kindlich und grausam zugleich die Geschichte der mittelalterlichen Kreuzzüge aus arabischer Sicht nachspielen, reisten stets mit. Im Oktober 2014 hatten Shawky und ein 40-köpfiges internationales Filmteam inmitten der Ausstellung im K20 den Film „The Secrets of Karbalaa“ mit ihnen gedreht. Nach der inzwischen erfolgten Postproduktion des Films ist Wael Shawkys Cabaret Crusades-Trilogie nach fünf Jahren zu einem Abschluss gekommen. Nun ist der Film in den USA und in Katar zu sehen, nachdem er als Rohfassung zuvor seine Urraufführung in Düsseldorf hatte.

Doris Krystof, Kuratorin des Ausstellungs- und Filmprojekts an der Kunstsammlung, die den Künstler über Monate eng begleitet hat, reiste vor wenigen Wochen nach Doha in Katar, wo im Arab Museum of Modern Art (Mathaf) die bisher größte Einzelausstellung Shawkys Eröffnung feiert.

Für #32 hat sie ihre Eindrücke zusammengefasst.

 

 

Doha ist die Hauptstadt des auf der Arabischen Halbinsel gelegenen Emirats Katar, das von der Familie Al Thani als absolute Monarchie regiert wird. Katar verfügt angeblich über das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt; der Reichtum stammt wie überall in den Golfstaaten von großen Öl- und Erdgasressourcen. Doha ist eine Stadt im Aufbau. Von der neu angelegten Uferpromenade, der Corniche, blickt man über das Meer hinüber zum neuen Stadtteil Westbay. Die Altstadt von Doha ist einer einzigen enormen Baustelle gewichen. Dort soll das neue Zentrum von Doha als eine der modernsten Städte am Persischen Golf entstehen. Gemäß der „Qatar National Vision 2030“ investiert die Herrscherfamilie Al-Thani Milliardenbeträge in Bildung, Technologie, Kunst und in Mega-Events wie die FIFA WM 2022.

Im Rahmen der Agenda 2030 eröffnete 2010 das von dem renommierten Architekten I.M. Pei entworfene Museum of Islamic Art (MIA), das imposant an der Corniche gelegen ist. Die Sammlung  islamischer Kunst wurde innerhalb von einem Jahrzehnt zusammengetragen und enthält wertvolles Kunsthandwerk aus allen Teilen des Vorderen Orients.

 

 

Im kühlen Innenraum des MIA bietet sich durch die luftigen Jalousien vor dem großen Fenster der Cafeteria ein eindrucksvoller Blick auf das neue Doha in Westbay.

 

 

Zu jeder vollen Stunde fährt ein Shuttle-Bus vom MIA zum Arab Museum of Modern Art (Mathaf), das etwa 30 Kilometer entfernt am Stadtrand in der sogenannten Educational City von Doha liegt.

 

 

 

Auf dem Weg zum Mathaf sieht man vom Bus aus in der Nachbarschaft des fertig gestellten Convention Centers eine Baustelle nach der anderen, wo gerade alle internationalen Architektenstars wie Jean Nouvel, Rem Kolhaas oder Zaha Hadid bauen.

 

 

Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt erreicht man das 2010 eröffnete Mathaf, in dem die Ausstellung von Wael Shawky stattfindet. An den Bauzäunen weisen Plakate auf die Ausstellungen in dem Flachdachgebäude hin. Grundstock des Mathaf ist die mehr als 6000 Werke umfassende Sammlung von Kunst aus arabischen Ländern, die der Sohn des Emirs und ehemalige Kunststudent Sheik Hassan Al-Thani (*1960) zusammengetragen hat.

 

 

Einen Tag vor Wael Shawkys Ausstellungseröffnung ist die Vorbereitung noch in vollem Gange. Wie schon bei den Arbeiten mit den Glasmarionetten in Murano und beim Filmdreh in Düsseldorf sind Francesca Luise, die Kostümbildnerin, und Giorgio Benotto, der die Requisiten für Shawkys Filme hergestellt hat, bis zur letzten Minute am Werk. Bislang gab es nirgendwo eine so geräumige Vitrine für Waels Marionetten, dass man darin (beinahe) stehen konnte. Überhaupt ist die Ausstellung in Doha die umfangreichste Shawky-Ausstellung, die es je gegeben hat.

 

 

Eröffnung der Ausstellung am 15. März 2015: Alle warten draußen vor dem Museum auf das Erscheinen der Sheikha Al Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al-Thani. Bevor die mächtigste Kunstsammlerin Katars und Förderin von Wael Shawky nicht anwesend ist, darf keiner die Ausstellung betreten.

 

 

Wael Shawky führt Sheikha Al Mayassa durch die Ausstellung. Die bedeutend jüngere Schwester von Sheikh Hassan Al-Thani, die in den USA und Frankreich Politik und Literatur studierte, machte mit  spektakulären Ankäufen wie Cézannes Kartenspieler (250 Mio $) von sich reden. Als Vorsitzende der Qatar Museum Authority (QMA) will sie Brücken zwischen Ost und West schlagen. Man sagt, sie verfüge über eine Milliarde US-Dollar Ankaufsetat jährlich und wolle Doha zum größten Kunst Hotspot der Welt machen.

 

 

Auch die Produktion der Glaspuppen im Berengo Studio auf Murano bei Venedig wurde maßgeblich von der QMA unterstützt. Neben den Glasmarionetten entstanden dort für Shawkys Film auch zahlreiche unbewegliche, statische Glasfiguren. Für die Präsentation der „Statisten“ entwickelte Shawky in Doha eine ganz neue Form der Wandpräsentation.

 

 

Für die Ausstellung in Doha entstand eine große Anzahl an Papierarbeiten, die Wael Shawky während seines dreiwöchigen Aufenthalts in Doha in dem neu geschaffenen Firestation-Atelier für Gastkünstler gezeichnet hat. Unter Verwendung unterschiedlichster Stifte und Materialien reflektieren die Motive die mittelalterliche Bildwelt des dritten Cabaret-Crusades-Film.

 

 

Die Präsentation der Glasmarionetten in eigens angefertigten Vitrinen, die meist in Wael Shawkys favorisierten Farben Türkis- und Petrolblau gestrichen sind, fasst die Gruppe der Figuren als großes Darsteller- Ensemble zusammen. Nach ihrem Auftritt im Film werden die Glasmarionetten zu einzelnen Skulpturen, die vielfach neu kostümiert und ausstaffiert werden.

 

 

Ein Detail bei den Hinweisschildern auf die Ausstellung in Doha fiel auf: „Crusades and Other Stories“, fehlt da nicht etwas im Titel? Dass das Wort „Cabaret“ gestrichen wurde, müsse man bitte verstehen, heißt es erklärend im Museum. Mit seinen westlichen Implikationen von Bordell, Nachtleben, Kritik und Spott habe das Wort „Cabaret“ im arabischen Doha keinen guten Klang…

Im aufwändig produzierten dritten Teil der Cabaret Crusades (The Secrets of Karbalaa, HD Video, 120 min.) geht es um die Ereignisse vom 2. Kreuzzug (1145-49) bis zur Zerstörung Konstantinopels durch venezianische Kreuzfahrer im Jahr 1204. Wieder schildern Marionetten die Geschichte aus arabischer Perspektive. Als Darsteller legendärer Gestalten des 12. Jahrhunderts (wie Sultan Saladin, Bernhard von Clairvaux, Richard Löwenherz oder die staufischen Herrscher König Konrad III. und Kaiser Friedrich Barbarossa) fungieren einzigartige Glasmarionetten, die auf Murano bei Venedig nach Shawkys Zeichnungen von afrikanischen Skulpturen produziert wurden.


Text und Fotos: Doris Krystof

 

Zu den internationalen Ausstellungen:

Wael Shawky: Cabaret Crusades
MoMA PS1
New York
31. Januar bis 31. August 2015
http://momaps1.org/exhibitions/view/394

Wael Shawky: Crusades and Other Stories
Arab Museum of Modern Art (Mathaf)
Doha/Katar
17. März bis 31. August 2015
http://mathaf.org.qa/en/exhibitions-list/290-wael-shawky


Ausstellungarchiv der Kunstsammlung:
http://www.kunstsammlung.de/entdecken/ausstellungsarchiv/ausstellungen-2014.html


Kuratorin Doris Krystof betreute das Filmprojekt und die Ausstellung im vergangenen Herbst und Winter im K20 in Düsseldorf. Der produzierte Film The Secrets of Karbala wird im April und Mai an ausgewählten Terminen in K21 gezeigt (Dauer jeweils 2 Stunden):

Samstag, 25. April: 15.00 Uhr
Samstag, 2. Mai: 15.00 Uhr
Sonntag, 3. Mai: 11.00 Uhr
Sonntag, 17. Mai 2015 (Int. Museumstag), 15.00 Uhr

Eintritt wie Museumseintritt. Begrenzte Sitzplätze. Reservierung leider nicht möglich.

Am 30. April wird Doris Krystof im Programm von Futur 3 anlässlich der Screenings über das Projekt sprechen und weitere Einblicke in die Ausstellungsprojekte in New York und Doha geben.