Kunstsammlung NRW
Fördergerüst und Maschinenhalle, Foto: LWL-Industriemuseum, Annette Hudemann
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Wie klingt denn das? Work with Sounds – eine digitale Sammlungspräsentation der anderen Art

Wenn es um digitale Sammlungspräsentationen geht, denken Museumsmenschen zunächst an große Bilder, profund recherchierte kunsthistorische Eckdaten, Ausstellungs- und Literaturlisten sowie lückenlose Auflistungen von Provenienzen. Dass sich im Feld der digitalen Objekt- und Sammlungsdatenbanken auch ganz andere Dinge tummeln, Geräusche etwa, beweist das ambitionierte Museumsprojekt Work With Sounds.                                      

Ein Blick in eine Online-Sammlung der ganz anderen Art von Alissa Krusch für #32.

 

Für den verwöhnten Besucher von hochästhetisierten und spielerischen Sammlungspräsentationen europäischer und us-amerikanischer Museen, klingt die Datenbank "Work with Sounds" auf den ersten Blick nicht gerade attraktiv. Die nüchterne Projektbeschreibung gibt lediglich zu verstehen, dass an diesem Ort gefährdete oder verschwundene Geräusche der Industrielandschaft gesammelt sind.

Der Anspruch, der dahinter steckt ist ambitioniert und spannend zugleich: Verschwindende Geräusche sollen gesammelt und bewahrt werden, um in einem institutionellen Gemeinschaftsprojekt quer über den Kontinent eine Klanglandschaft ("Soundscape") des industriellen Europas zu schaffen.

Das Projekt, das zu zwei Dritteln von kulturhistorischen und technischen Museen in Polen, Slowenien, Finnland, Schweden, Belgien und Deutschland getragen wird, ist zusätzlich zu etwa einem Drittel von der Europäischen Union gefördert und läuft über zwei Jahre bis September 2015. Projektpartner auf deutscher Seite ist das LWL-Industriemuseum in Dortmund, zu dessen Standort unter anderem die Zeche Zollern, als bestens erhaltene Musterzeche aus dem 19. Jahrhundert gehört.

In den letzten Monaten haben die Partner rund 500 Geräusche, von der Fritteuse in einer kleinen Imbissbude bis hin zur Schiffsmaschine eines Eisbrechers, aufgenommen, zusammengetragen, klassifiziert und detailtief beschrieben.

Der Einstieg zur Plattform gestaltet sich über eine große Volltextsuche, die den unbedarften oder einfach nur neugierigen User mutmaßlich nicht ansprechen dürfte. Reizvoller hingegen sind die Kategorien, die über die Funktion "Browse Sounds" ausgewählt werden können: Landwirtschaft, Bildung, Fischerei, Militär, Handel, Öffentliche Verwaltung. Diese Kategorien machen den Einstieg für den Besucher einfacher und attraktiver, er findet sich gleich inmitten des Klangangebots wieder.

Das Geräusch eines Midsommer-Feuers hat jeder, der schon einmal am Lagerfeuer saß, noch im Ohr. Aber wie verhält es sich mit dem Klang des Kohlenmischers, der nur noch für einige wenige Jahre auf der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop in Betrieb sein wird? Was ist mit dem Ton einer "Fence Making Maschine", die im Schweden der 1930er Jahre zum Einsatz kam und die ihren Betrieb 2013 - vermutlich überholt von neueren Fertigungsmaschinen oder einer Verlagerung der Zaun-Produktion an andere Orte der Welt - eingestellt hat?

Die Geräuschesammlung konzentriert sich auf das industrielle Zeitalter der vergangenen zwei Jahrhunderte. Einige Geräusche sind aber auch noch älteren Ursprungs, etwa die im Museum of Municipal Engineering in Gdansk/Polen aufbewahrten Uhrwerke einer Kirchturmuhr oder die in Gränna/Schweden ausgestellten Kegelradgetriebe hölzerner Wassermühlen aus dem 17. Jahrhundert.

Ganz ohne Illustration kommt der Klangbetrieb natürlich auch nicht aus: Zu jedem der eingestellten Objekte gibt es nicht nur eine Abbildung, sondern zumeist ein ganzes Video, das die Geräuschquelle im Einsatz zeigt. Häufig handelt es sich um Museumsexponate, die von Mitarbeitern ausnahmsweise für diesen Dokumentationszweck wieder in Betrieb genommen worden sind. In vielen Fällen allerdings waren die Klangfänger auch in noch existierenden Betrieben und Industrieanlagen zu Gast, um die Exponate der Datenbank zusammen zu tragen.

Zu jedem Sound gehören ein beschreibender Text, eine Datierung nach Jahrzehnten sowie eine Verschlagwortung. Angaben über die Art der Aufnahme sollen dem Nutzer bei der Annäherung an den originalen Sound begleiten, in einigen Fällen - etwa bei größeren Maschinen - sind auch Dezibel-Angaben vermerkt.

Und dann gibt es noch einen Download-Link zum Soundfile. Das Geräusch zum Mitnehmen? Definitiv! Denn wichtig ist den Museen, dass die wissenschaftlich "konservierten" Klänge nicht einfach nur auf der Plattform verbleiben, sondern - und nur so kann die länderübergreifende Klanglandschaft in echt funktionieren - ihren Weg in die Öffentlichkeit suchen. Frei von allen urheberrechtlichen Beschränkungen machen die Projektpartner in den humorvoll verfassten FAQs darauf aufmerksam, dass die Geräuschmitschnitte, die nach Projektabschluss Eingang in das digitale Großprojekt Europeana finden werden, unter einer Creative Commons Lizenz stehen. Sie sollen ganz explizit von Schulen, Museen, Bildungseinrichten und Kunstprojekten genutzt werden. Auch für kommerzielle Zwecke können die Klangkonserven genutzt werden, dabei wünschen die Wissenschaftler "viel Glück".

Screenshot der Website www.workwithsounds.eu

 

Die Projektdatenbank Work With Sounds ist unter dem folgenden Link abrufbar:
http://www.workwithsounds.eu/

Alle Texte und Objektbeschreibungen sind in englischer Sprache. Eine deutschsprachige Einleitung findet sich im ebenfalls online publizierten Projektantrag des Dortmunder LWL-Museums.
http://tinyurl.com/nf9eh8r

Den Abschluss des Projektes findet vom 19. -22.08 eine internationale wissenschaftliche Konferenz  auf dem Gelände der Zeche Zollern in Dortmund statt.

 

Alissa Krusch leitet den Bereich der digitalen Kommunikation der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Aus Museumssicht beobachtet und analysiert sie Sammlungspräsentationen aller Art und begleitet innerhalb der Kunstsammlung eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema. Nicht auszuschließen ist, dass sie sich auch aufgrund ihrer Ruhrgebietsherkunft ganz besonders von diesem Projekt angesprochen fühlte.