Kunstsammlung NRW
Foto: Ralf Daute
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Was hätte Beuys gewollt? Wichtiges Frühwerk gereinigt.

Zum 30. Todes- und 95. Geburtstag von Joseph Beuys realisiert das Museum Kurhaus Kleve eine Ausstellung, die in den ehemaligen Atelierräumen des Künstlers die wichtigsten Werkgruppen präsentiert. Joseph Beuys Werklinien richtet den Fokus auf Beuys-Werke wie das "Büdericher Ehrenmal", die einen unmittelbaren Bezug zum Klever Umfeld haben.

Für #32 berichtet Ralf Daute über die Restaurierung des monumentalen Frühwerks von Joseph Beuys.

 

Die Lokalzeitungen spotteten über einen "beschissenen Beuys" – und es handelte sich in diesem Fall nicht um kleingeistige Kunstkritik mit dem Holzhammer, sondern um eine schlichte Zustandsbeschreibung.

Das Büdericher Ehrenmal für die Toten des Weltkrieges, ein im frühen Schaffen von Joseph Beuys zentrales Werk, wurde in seinem Aufenthaltsort, einem Kirchturm in dem Meerbuscher Ortsteil, ein Opfer "natürlicher Prozesse": Tauben hatten sich eingenistet und das monumentale Holzkreuz mit ihren ätzenden Hinterlassenschaften beschmutzt.

Valentina Vlasic vom Museum Kurhaus in Kleve war entsetzt, als sie das 60 Jahre alte Kunstwerk zu Gesicht bekam. Sie wollte das Ehrenmal unbedingt in der Ausstellung "Josef Beuys: WERKLINIEN" zeigen (bis 4. September geöffnet). Denn für das Früherk des Künstlers ist das monumentale, geschwungene Kreuz aus Eichenholz mit Eisenbeschlägen von zentraler Bedeutung: Beuys hatte Mitte der Fünfziger Düsseldorf den Rücken gekehrt, weil ihm der Erfolg als Künstler versagt geblieben war. Im niederrheinischen Kranenburg hatte er sich als Feldarbeiter auf einem Bauernhof verdingt. Deshalb erreichte ihn die Nachricht, dass er den Auftrag für das Ehrenmal erhalte hatte, auch erst nach wochenlanger Verspätung.

 

 

Foto: Ralf Daute

Unvermittelt stand der Künstler vor dem Problem, dass er kein Atelier hatte, in dem er den Auftrag hätte ausführen können. Im leerstehenden Kurhaus von Kleve wurde er fündig und mietete von der Stadt Kleve einen passenden Raum. Mit dem Ehrenmal kam der Erfolg für Beuys: "Ab da war alles anders", so Ausstellungsmacherin Vlasic. Der Atelierraum, vor wenigen Jahren wieder hergerichtet, gehört übrigens heute zum Museum Kurhaus in der Niederrheinstadt.

Um das Kreuz wieder präsentabel zu machen, initiierte Vlasic mit Hilfe des Landschaftsverbands Rheinland – der ist zuständig, weil es sich bei dem Ehrenmal samt Portal und Kirchturm um ein Baudenkmal handelt – die etwas andere Reinigungsaktion. Im Rheinischen Amt für Denkmalpflege in Brauweiler bei Köln bekam das Kunstwerk eine Intensivpflege: Restauratorin Andrea Ollendorf beschäftigte sich wochenlang mit dem Holzkreuz und dem ebenfalls verschmutzten Portal der Gedenkstätte.

Grell erleuchtet lag das Kunstwerk vor ihr auf einer Werkbank wie auf einem OP-Tisch. Ollendorf musste bei ihrer Arbeit eine Atemschutzmaske tragen - denn Taubenkot ist nicht ungefährlich - während sie mit einem Skalpell den Schmutz Millimeter für Millimeter abschabte. Aus Sicherheitsgründen landeten die Kotpartikel sofort in einem Gefahrgutsauger.

Für Ollendorf ist dies ein bemerkenswerter Auftrag: "Wann hat man schon einmal die Chance, an einem Beuys zu arbeiten?" Die Krux: Beuys hatte Verfall und Veränderung seiner Kunstwerke durchaus einkalkuliert. "Verwitterung, Alterung, Korrosion, solche Prozesse hat Beuys akzeptiert", sagt Hauptkonservator Ludger J. Sutthoff. Dass das Eichenholz des Kreuzes also Risse bekommen hat, wird so bleiben. Dass Tauben dem Kruzifix ihren persönlichen Stempel aufdrückten, hingegen nicht.

 

 

Foto: Ralf Daute

Aber was ist mit den Schrauben, die offenbar später im Holzkreuz versenkt worden sind, um der Konstruktion mehr Stabilität zu verleihen? Der Verdacht liegt nahe, dass da ein Handwerker an die Arbeit gegangen ist. "Als Restaurator ist man immer auch etwas detektivisch unterwegs", sagt Norbert Engels, einer der Restauratoren des Landschaftsverbandes, die sich mit dem Werk beschäftigten.

Wichtig ist die Frage, was Beuys wohl gewollt hat. Das ist nicht immer einfach zu beantworten, da der Künstler stets Grenzen auslotete: 1972 sammelte er Straßenmüll einer Berliner Mai-Demonstration und packte ihn in eine Glasvitrine. Und nicht zu vergessen die Fettecke in der Düsseldorfer Kunstakademie, die 1986 das Opfer eines übereifrigen Hausmeisters geworden ist.

Ein wissenschaftliches Symposium soll sich deshalb schon bald damit beschäftigen, wie ein Beuys-Werk heute restauriert werden darf. Da war die Sache mit dem Taubenkot noch eine einfache Fragestellung, die mit einem energischen "der muss weg!" beantwortet werden konnte. Jetzt kommen die Zuschauer im Museum Kurhaus in den Genuss eines grundgereinigtes Mahnmals. Es sieht bis auf die natürliche Alterung fast so aus wie Mitte der Fünfzigerjahre, als es das Atelier des Künstlers verlassen hat – das übrigens im heutigen Museum lag.

 

Die Ausstellung "Joseph Beuys. Werklinien" im Kurhaus Kleve ist noch bis zum 04.09.2016 zu sehen. Weitere Informationen erhalten Sie HIER.