Kunstsammlung NRW
© Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen: Deniz Elbir
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Deep Dream – Wenn Google träumt

Es ist ein sehr mathematisches Verfahren: Algorithmen, Wahrscheinlichkeiten, Berechnungen. Die Ergebnisse hingegen wirken grotesk, faszinierend und erschreckend zugleich. Eine Forschergruppe aus dem Google-Konzern entwickelte einen Algorithmus, der einen Schritt weiter in Richtung künstliche Intelligenz geht und "maschinelle Kunst" schafft. Eine interessante Schnittmenge zwischen Bildlichkeit und Digitalem, der wir auf den Grund gehen wollen.

 

Für #32 berichtet Deniz Elbir über neue Ereignisse aus der Netzwelt

Der Schlaf ist für die seelische Gesundheit des Menschen ein unabdingbarer tiefenpsychologischer Vorgang, hier werden die Erlebnisse des Tages wenn auch in subtiler und verschachtelter Form aufgearbeitet. Zwar handelt das Traumgeschehen häufig von Dingen und Ereignissen, die in der Realität unwahrscheinlich sind, die emotionale Basis jedoch bildet real erlebtes. Träume sind also ein Substrat von dem, was wir sehen, hören und fühlen.

Was allerdings sieht eine Suchmaschine wie Google in der Traumphase, wenn sie den ganzen Tag mit unzähligen Suchbegriffen, Bildern und sonstigem Content gefüttert wird? Erwartungsgemäß ist zumindest eins: Tiercontent. Zu Abermillionen haben unzählige Nutzer Tierfotos und -Videos durch die Datenbahnen des Internets gejagt, welche geliebt oder gehasst die Aufmerksamkeit in den Sozialen Netzwerken auf sich ziehen oder als E-Mail-Anhang die Bürokollegen weltweit polarisieren. Im Zweifel ziehen Hunde-, Katzen- und sonstige Tiervideos immer.

Google forscht an künstlicher Intelligenz

Das Googleprojekt Deep Dream analysiert Bilder auf bekannte Muster und Objekte. Dazu wurden künstliche Neuronale Netzwerke aufgesetzt, die aus Rechnerverbänden bestehen und vordergründig der Bildererkennung dienen. Unermüdlich nämlich durchsucht Googles Webcrawler Googlebot das Internet nach neuen Inhalten, indexiert diese und nimmt sie in die Google-Suche auf. Den Vorgang des visuellen Scannens übernimmt hierbei die Deep Dream Engine normalerweise. Denn die Forscher drehten das Vorgehen um und stimulierten das Neuronale Netzwerk dahingehend, eigenständig Bilder herzustellen und zu interpretieren.

Das Innovative hieran ist, dass die Deep Dream Engine völlig losgelöst vom menschlichen Zutun arbeitet. Jagt man ein Bild durch die Engine, interpretiert diese es analog zur menschlichen Kognition und fügt dem Bild seine eigenen Assoziationen hinzu. In mehreren übergelagerten Ebenen werden Schritt für Schritt zunächst einfache Formen und Schemata, dann Muster und später Objekte erkannt und mit den Inhalten ergänzt, die dem System vertraut sind. Die Deep Dream Engine erkennt also eigenständig Bilder und verfügt über einen eigenen Interpretationsraum, ihrer "persönlichen" Schnittmenge an Wissen, Erfahrungen und Erwartungen, aus der sie bei der Bildinterpretation schöpft.

Psychedelische Computer

Wird nun ein Bild mehrmals durch Deep Dream geschickt ein Vorgang, der mehrere Tage bis Wochen in Anspruch nehmen kann , entstehen zunehmend skurille und fast schon verstörende Bilder. Augen scheinen den Betrachter von allen Ecken des Bildes zu beobachten, aus Objekten werden groteske Fabelwesen, die einem schlechten LSD-Trip zu entspringen scheinen.

In unserem Selbstversuch verwandelt sich unser kleines Redaktionsvögelchen eine Allegorie auf die Sozialen Netzwerke in ein bizarres Schneckenwesen, mit vielen Augen und Tentakeln, die den Monitor umschließen. Im Hintergrund erscheinen viele weitere kleine und große Fangarme, die aus psychedelischen Mustern hervorgehen, welche die Bäume am Paul-Klee-Platz beschreiben. Irgendwie ist das Bild aber auch bezeichnend für den Suchmaschinenkonzern, der als Datenkrake verschrien ist: Ob Google wohl weiß, was wir über die Suchmaschine denken?

Vorlage für das Deep Dream-Bild © Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen: Deniz Elbir

Die Bilder berühren aber auch auf einer tieferen Ebene: Es sind tatsächlich nicht von Menschenhand geschaffene Darstellungen und Entwürfe einer Maschinenrealität. So gehört es doch zum kreativen Prozess, Erfahrungen in neue Kontexte zu stellen, selbstständig eigene Werke in seinem persönlichen Universum zu schaffen und hierzu seinen Fundus an Informationen zu nutzen.

Künstliche Intelligenz in Kinderschuhen

Zugegeben erscheint das ganze zunächst einfach nur skurril. Und natürlich wird diese künstliche Schöpfung nicht sofort die Welt aus den Angeln heben obwohl es für reichlich Aufsehen in der Netzwelt gesorgt hat. Aber wenn Rechenmaschinen eigenständig erkennen und interpretieren können, ist es eben auch ein weiterer Schritt in Richtung künstlicher Intelligenz. Deep Dream ist ein Statusbericht für das, was technisch bereits möglich ist. Und niemand wird eine solche ressourcenintensive Spielerei entwickeln, nur um die Netzgemeinde bei Laune zu halten. Wem das schlussendlich in die Hände spielen wird, bleibt abzuwarten. Denn wer Hunde und Katzen erkennen kann, wird bald wohl auch Menschen erkennen können - dann könnte aus dem Dream auch schnell ein Albtraum werden. Ob sich dann nun Geheimdienste oder Marketingchefs die Hände reiben werden, macht dann vielleicht auch keinen Unterschied mehr.