Kunstsammlung NRW
Klaus Rinke, Zeitfeld, 1987, Südpark, Düsseldorf, Foto: Kunstsammlung
this & that

"Warum steht das hier?"

Ein Nachbericht zum Symposium der Heinrich-Heine-Universität in Kooperation mit der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen am 6. Juni 2014 im Haus der Universität

"Warum steht das hier?" – diese Frage stellt sich manch einer, wenn er beim Gang durch seine Stadt neben Parkuhren, Sitzbänken, Papierkörben und Reklametafeln plötzlich vor einer Skulptur steht. In Düsseldorf kann einem dies jederzeit passieren, beherbergt die Landeshauptstadt doch weit mehr als 1.000 künstlerische Arbeiten im städtischen Raum: Plastiken – figürliche Ensembles, Standbilder, abstrakte Formen –, Gedenktafeln, Wandbilder, die auf den Straßen, Kreuzungen, an Fassaden oder in Parks und auf Friedhöfen aufgestellt sind.

Kuratorin Maria Müller-Schareck blickt für #32 zurück auf das öffentliche Symposium über die Kunst im Stadtraum.

Vieles nimmt man als Passant kaum wahr, anderes stellt sich in den Weg, manches fasziniert oder erweckt das Interesse, anderes provoziert oder lässt einen schlicht unberührt. Und manche Werke scheinen, von einem Tarnmantel verdeckt, quasi unsichtbar.

Die Frage "Warum steht das hier?", aber auch die zahlreichen Fragen nach den Künstlern, die das Werk geschaffen haben, nach dessen Ziel und Zweck, nach seinem konservatorischen Zustand und der Art, wie es dem Passanten erklärt wird, stellen sich im Sommersemester 2014 Studierende der Kunstgeschichte der Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf.  Junior Professorin Ulli Seegers leitet das Seminar, an dem sich die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen als Kooperationspartner beteiligt.

Alfred Zschorsch, Radschl


Aus dem Seminar in die öffentliche Diskussion


Im Seminar geht es darum, ausgewählte Skulpturen kennen zu lernen, ihre kunsthistorische Bedeutung zu erkennen, es geht um Fragen der Begegnung und der Vermittlung. Die Methoden und Wege der Annäherung sind zahlreich! So schien es sinnvoll, im Rahmen eines Symposiums kompetente Gäste zu Wort kommen zu lassen. Und so fand im Haus der Universität am Schadowplatz das öffentliche Symposium "Warum steht das hier?" statt, mit Gästen aus der Politik, der Kunstwissenschaft, Soziologie und Vermittlung sowie einer Reihe von Künstlern. Im Publikum: Natürlich die Studierenden, aber auch eine erfreulich große Anzahl interessierter Bürger und Kulturschaffender, die maßgeblich die lebhaften Diskussionen zwischen den Referaten trugen.

Den Anfang machte der Kulturdezernent der Stadt Düsseldorf, Hans-Georg Lohe. Sein Bekenntnis zur Kunststadt Düsseldorf unterstrich er mit Hinweisen auf einige ambitionierte Projekte in der Vergangenheit (z.B. zur EUROGA 2002plus), auf die engagierte Arbeit des Kulturamtes und den regen Austausch mit den Künstlern. Stolz stellte er dann die künstlerischen Projekte in den neuen U-Bahnhöfen der Wehrhahnlinie vor, die im Rahmen von Ausschreibungen an vor allem jüngere Künstler vergeben wurden.


„Kunst für alle“

Dass Kunst im öffentlichen Raum nicht notwendigerweise in Stein gemeißelt oder in Bronze gegossen ist, zeigte dann der Kultursoziologe Uwe Lewitzky aus Hamburg, Autor der Publikation "Kunst für alle": Er präsentierte nicht nur einen Überblick über die wesentlichen Entwicklungsschritte von Kunst im öffentlichen Raum seit den 1950er-Jahren, sondern stellte darüber hinaus eine Reihe von Projekten vor, bei denen Künstler und Bewohner eines Stadtviertels gemeinsam städtischen Raum gegen kommerzielle Interessen verteidigten und sich eigene, ihren Bedürfnissen angepasste Räume schaffen (z. B. Park Fiction, Hamburg etc.).

Es folgten "Beobachtungen vom ‚Kampfort der Aufmerksamkeiten‘": Hier ging es um die aktuelle Situation in der Stadt Düsseldorf mit ihrer vor allem im Innenstadtbereich extrem heterogenen Dichte an Skulpturen. Und die Frage, wie sich die Situation verbessern ließe: durch größere Wertschätzung des Bestandes, durch Verbesserung von Instandhaltung und Pflege, durch Diskussionen über Standorte, Qualität und Sinnhaftigkeit, durch die Aktivierung von Bürgern und Paten.


Handreichung des Deutschen Städtetags

Der Deutsche Städtetag hat 2013 in einer Handreichung zum Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum die wesentlichen Fragestellungen formuliert und empfohlen, diese als Grundlage jeweils individueller, auf die städtische Situation angepasster Konzeptionen zu nutzen. Gute Ansätze finden sich vielerorts, fehlende personelle und finanzielle Mittel sowie politische Querelen stehen allzu oft einer konsequenten Umsetzung im Wege. Davon konnte am Nachmittag auch Markus Ambach berichten. In seinem mit Kay von Keitz konzipierten Projekt „Der urbane Kongress“ nahmen sie (in der Kölner Innenstadt) Skulpturen ins Visier, deren Umfeld sich so verändert hat, dass Werk und Ort keine sinnvolle Einheit mehr bilden. Probleme erkennen und benennen, in Aktionen und Diskussionen sichtbar machen und durch Umsetzung der Skulptur lösen, so lässt sich in aller Kürze der Dreischritt ihrer Überlegungen benennen, deren Realisation in Köln zurzeit ob politischer Ränkespiele und Geldmangel ausgebremst ist.


Inges Idee: mit Witz und Ironie an den Betrachter gewandt

Mit Thomas Schmidt, kreativer Kopf der Künstlergruppe Inges Idee, und Rita McBride, der Rektorin der Kunstakademie Düsseldorf, waren zwei Künstler eingeladen, die sich seit vielen Jahren mit Projekten im öffentlichen Raum befassen. Rita McBride musste leider kurzfristig absagen, war aber durch die Präsentation von 3 Filmen über ihre in München realisierte Skulptur Mae West bestens vertreten. Diese hoch in den Münchener Himmel aufragende Konstruktion aus leichten Verstrebungen erinnert an einen Gasbehälter ebenso wie an die Wespentaille der Mae West. Auch wenn viele der Bürger sich noch nicht recht mit ihr angefreundet haben, Mae West hat zweifellos die Qualität ein Wahrzeichen zu werden.  Thomas Schmidt stellte zahlreiche der von Inges Idee weltweit realisierten Projekte vor und führte eindrucksvoll vor Augen, dass das „richtige“, sprich auf die räumliche Situation, den Zweck des Ortes und seine Nutzer zugeschnittene Projekt in der Regel keine Akzeptanzprobleme hat. Die ortsspezifischen Werke von Inges Idee haben klare, wiedererkennbare Formen und eine prägnante Erzählung. Mit Witz und Ironie sprechen sie den Betrachter an und bieten ihm – z.B. mit einem gewellten Basketball- oder dem durch einen Wasserlauf mittig durchschnittenen Fußballfeld – höchst ungewöhnliche und zugleich vielfältig nutzbare Orte an. 

Erich Reuch, Ohne Titel, Burgplatz, D

Aus der Perspektive der Kunstvermittlung

Dass es nicht damit getan ist, eine Skulptur im städtischen Raum zu platzieren, thematisierte Annika Plank, selber Künstlerin und erfahrene Kunstvermittlerin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Sie listete einmal all die Medien und Möglichkeiten auf, die heute zur Verfügung stehen, um im städtischen Raum Informationen zu vermitteln: von der einfachen Schrifttafel bis hin zu vielseitig zu bespielenden Apps scheinen die Möglichkeiten unendlich. Was aber wo sinnvoll und richtig ist, das gilt es von Fall zu Fall zu entscheiden. Immer im Bewusstsein, dass die erste, unmittelbare Begegnung von Passant und Skulptur in der Regel unvorbereitet ist, eine Begegnung, die ratlos machen kann, ärgerlich oder aggressiv, die aber auch erfreuen und nachdenklich stimmen kann und soll. Die Tatsache, dass viele Skulpturen ein Schattendasein fristen, manche seit vielen Jahren offenbar vernachlässigt oder von Attacken demoliert, zeigt, dass offenbar die Bürger der Stadt nicht zwingend auch Freunde der Kunst in der Stadt sind.

Kunst im ungeschützten städtischen Raum ist zugänglich auch für all die, die das Museum meiden. Zugleich ist sie ohne diesen Schutzraum angreifbar und ausgeliefert. Dass der städtische Raum, die Orte, die wir täglich passieren, an denen wir uns aufhalten oder die wir meiden, uns alle angeht, zeigten die lebhaften, auch kontroversen Diskussionen. Daran gilt es anzuknüpfen, das Haus der Universität im Herzen der Stadt ist dafür ein guter Ort!

Norbert Kricke, Mannesmann I Bewegung, 1961, Mannesmannufer D


Kunstwerke im öffentlichen Raum waren für die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen im vergangenen Ausstellungsjahr ein wichtiges Thema: Im K20 am Grabbeplatz war im Frühjahr 2013 die Schau „Die Bildhauer. Kunstakademie Düsseldorf. 1945 bis heute“ zu sehen, die Skulpturen von mehr als 50 Professoren und ehemaligen Studierenden der Hochschule versammelte. Im Begleitprogramm der Ausstellung, die von Kunstsammlung und Kunstakademie gemeinsam realisiert wurde, standen auch die Werke der beteiligten Künstler im öffentlichen Raum Düsseldorfs im Fokus. Ein Stadtplan, den jeder Besucher an die Hand bekam, verzeichnete eine Vielzahl dieser Werke. Dieser lädt auch über die Laufzeit der Ausstellung hinaus zum Kunst-Spaziergang ein.

  1. 10.07.2014 14:46 Christel Wöhr
    Zum Beitrag: "Warum steht das hier?"
    Guten Tag,
    ich möchte in diesem Zusammenhang auf das umfangreiche Werk von Wolfgang Funken verweisen: "Geschichte der Kunstwerke und kulturellen Zeichen im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt"
    Erschienen im Verlag Ars Publica Düsseldorf
    3 opulente Bände, Gewicht 10 kg!
    Viele Grüße
    Christel Wöhr

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