Kunstsammlung NRW
Blick von außen ins Foyer von K20 Grabbeplatz, Foto: Heinz Holzmann / Düsseldorfer Schauspielhaus

Disappearances :: Der Fall Simon – Rätselhaftes im Foyer von K20

Kunstsammlung NRW zeigt in Kooperation mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus Videoinstallation zur Aufführung im Dreischeibenhaus

Zwei Monitore außen, zwei Monitore drinnen, insgesamt vier filmischen Szenen. Die Protagonisten schauen direkt in die Kamera, Fetzen von Monologen, hin und wieder Musik, dazwischen Fahrten in einem Aufzug: Im „Schaufenster“ des K20 am Grabbeplatz lässt seit einigen Tagen eine Videoinstallation die Passanten innehalten. In Kooperation mit dem Schauspielhaus Düsseldorf zeigt die Kunstsammlung im Museumsfoyer die Arbeit „Disappearances :: Der Fall Simon“ – die Erweiterung einer ungewöhnlichen szenischen Aufführung, die in diesem Frühjahr im Dreischeibenhaus, einer der Architekturikonen der Nachkriegszeit, nur wenige hundert Meter vom Museum entfernt zu erleben ist.

Museumsbesucher können sich den Monitoren der Installation aus zwei Richtungen nähern, von außen in dem Durchgang, der die beiden die Kunstsammlung umgebenden Plätzen verbindet, sowie von innen, durch das Museumsfoyer. Aus beiden Richtungen ziehen die Darsteller in ihren Bann, adressieren die Vorbeikommenden scheinbar unmittelbar.


Die räumliche Anordnung der Videoinstallation verweist bereits auf eine der Perspektiven der Theaterarbeit "Die dritte Haut :: Der Fall Simon" von Bernhard Mikeska, Lothar Kittstein und Alexandra Althoff. Das Trio, das unter dem Namen RAUM+ZEIT agiert, spielt mit genau diesen beiden Konstanten in der Wahrnehmung des Betrachters, mit dem Raum und der Zeit sowie ihrem subjektiven Empfinden.

Während des Stückes im Dreischeibenhaus (Uraufführung am 4. März 2017) bewegt sich der Zuschauer durch die Aufführung hindurch. Jeweils nur eine Person gleichzeitig darf die Szene betreten; alle gelangen parallel, aber zeitversetzt von Raum zu Raum des Hochhauses. Die Schauspieler bleiben als Konstanten an ihren Plätzen, wiederholen ihre Aufführung vielfach an einem Abend. Durch das Alleinsein mit dem Schauspieler wird der Zuschauer ungewöhnlich intensiv einbezogen und zu einem unmittelbaren Teil der Geschichte über das ebenso reale wie mysteriöse Verschwinden eines Mannes in Düsseldorf.


Die Geschichte, die erzählt wird, geht so:  

"Düsseldorf 1986: Nach der Eröffnung der Kö-Galerie herrscht rund um die Königsallee Goldgräberstimmung. Grundstücke und Häuser wechseln zu astronomischen Preisen die Besitzer. Umbau, Abriss, Neubau sind die Wörter der Stunde. Nur einer will nicht verkaufen: Der als schrullig verschriene 70-jährige Multimillionär Simon logiert auf einem einfachen Matratzenlager in seinem baufälligen Haus an der Kö – ein Schandfleck, der ungeheure Begehrlichkeiten weckt. Simon spielt mit der Gier der Interessenten, doch Vertrauten bekennt er: ‚Ich verkaufe nie.‘ Dieses Spiel wird zu seinem Lebensinhalt, bis er im Juli 1991 plötzlich wie vom Erdboden verschluckt scheint. In der Stadt verbreiten sich Gerüchte: Simon sei nach dem Verkauf mit einem Koffer voller Geld in die Berge gereist – der Traum eines reichen alten Mannes vom Verschwinden. Neuer Immobilien-Besitzer ist ein stadtbekannter Investor, der auf dem Grundstück eine gigantische Ladengalerie eröffnen will. Er plant den Abriss, doch kurz vorher finden sich bei Räumungsarbeiten Simons Reisepass und sein Testament, in dem vermerkt ist: ‚Meine Häuser in Düsseldorf Königsallee dürfen nicht veräußert werden.‘ Bald stellt sich heraus, die Unterschriften Simons unter den Verkaufspapieren sind gefälscht. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf Mord. Aber es gibt keine Leiche. Laut Arztberichten erkrankt der Angeklagte in der Haft psychisch. Simon bleibt verschwunden. Das Mordverfahren wird 2002 ergebnislos eingestellt. Fast zeitgleich wird die Todeserklärung Simons rechtskräftig. 2006 kommt es, gegen Simons im Testament niedergelegten Willen, zum Abriss."

(Düsseldorfer Schauspielhaus)


Für den Museumsraum nun haben Mikeska und Althoff von RAUM+ZEIT gemeinsam mit Nicolai Hildebrandt von dieser Grundidee ausgehend eine Videoinstallation realisiert, die das Stück des Theaters begleitet, und in den öffentlichen Raum erweitert. In den Bildern und Monologen der Installation wird jedoch keineswegs die Geschichte des Verschwindens von Simon aufgeklärt. Die Umstände seines Todes bleiben ebenso ungeklärt wie die seines Lebens. Was entsteht, ist ein rätselhaftes Szenario, das die Künstler so beschreiben: "Verkaufsgespräche werden zur Grundlage für menschliche Beziehungen und offenbaren den Widerspruch zwischen dem Wunsch und der Angst vor seiner Erfüllung."

Im flüchtigen Vorgehen ebenso wie im gezielten Betrachten entsteht eine "subjektive Reise ins Innere"– sie macht neugierig auf mehr und lässt uns mit vielen Assoziationen und unbeantworteten Fragen zurück.

 

Die Installation "Disappearances :: Der Fall Simon" im K20 ist zu den Museumsöffnungszeiten frei zugänglich. Aufführungstermine und Informationen über die szenische Installation "Die dritte Haut :: Der Fall Simon" finden sich auf den Seiten des Düsseldorfer Schauspielhauses unter

www.dhaus.de


Für #32 von Alissa Krusch

Alle Fotos: © Heinz Holzmann / Düsseldorfer Schauspielhaus