Kunstsammlung NRW
Gast im Schmela Haus: Prof. Petra Stoerig, Leiterin des Instituts für Experimentelle Biologische Psychologie der Heinrich-Heine-Universität, Foto: Kunstsammlung

#32 Nachlese: Welche Farbe hat "Frau Merkel"?

Was Weiß ist, das weiß doch jedes Kind! Wie vielschichtig diese unschuldigste aller Farben in Wirklichkeit ist, das stand im Mittelpunkt eines Gesprächs von Experten aus Wissenschaft und Kunst in der Reihe Futur 3.

Für #32 war Gerd Korinthenberg bei der Diskussion "Was eigentlich ist Weiß?" am 8. Mai 2014 im Schmela Haus dabei dabei.

Aus künstlerischer, chemischer und biopsychologischer Perspektive näherten sich drei sehr unterschiedliche Gäste an diesem Abend den Weißpigmenten: Der Maler Ulrich Erben, die Diplom-Chemikerin Anette Kleine, Mitarbeiterin der Farben-Firma Schmincke (Erkrath), sowie Prof. Petra Stoerig, Leiterin des Instituts für Experimentelle Biologische Psychologie der Heine-Universität Düsseldorf. 

Weiß für Synästhetiker

"Welche Farbe hat Frau Merkel?", fragte die Psychologin und gab mit der scheinbar abwegigen Frage einen Einblick in die wundersame Welt der Synästheten, die bei der Nennung von Namen, Buchstaben und Zahlen oder dem Hören von Tönen Farben sehen. Auffallend viele Künstler aller Sparten von Autoren bis Musiker seien unter der unbekannten Zahl dieser Menschen anzutreffen, aber nur ganz selten erscheine ihnen – etwa beim Ton A oder den Buchstaben A und C - die Farbe Weiß. Bei der Nennung des Kanzlerinnen-Namens sähen deshalb nur knapp sieben Prozent der Synästheten eher Schwarz und fast fünf Prozent Grau.

Blei-, Titan- und Zinkweiß

Die Pigment-Forscherin und Chemikerin Anette Kleine ("Ich weiß, dass Weiß nicht immer nur Weiß ist.") erläuterte die Verschiedenheiten in den "Tönen", in Farbdichte und chemischen Veränderungsprozessen teils "historischer" Farben wie Blei-, Titan-oder Zinkweiß. Ob heutige Betrachter noch denselben Weißton wahrnehmen, den Malewitsch auf seine Leinwände auftrug? Oft verändern sich die Pigmente chemisch zu gelb- oder bräunlich. Dennoch sei Weiß die Farbe, die in der Produktpallette aller Hersteller von den Malern am meisten gefragt sei.

Die Assoziationslosigkeit der Unfarbe Weiß

Ganz Praktiker der Maler Ulrich Erben, der seit den frühen 1970er Jahre immer wieder lange "weiße Perioden" in seinem Oeuvre hat: "Wir haben damals einfach Farben genommen; wenn die haften konnten, war es gut", beschreibt er die bescheidenen Anfänge, in denen er etwa weiße Ölfarben-Rechtecke gegen weiß grundierte unbemalte Leinwände stellte, denn "das hat schon genug Spannung!". Für ihn persönlich spiele die Assoziationslosigkeit der Unfarbe Weiß eine große Rolle. Wenn, wie etwa bei Malewitsch oder Mondrian, Rot oder Blau allein auf weißer Fläche erscheine, dann wirke diese Farbe klarer und entschiedener als im Dialog mit anderen Nachbar-Farben. Und auch weißer als Weiß sei möglich, so der Künstler: "Man kann Weiß noch steigern, indem man ein anderes Weiß dagegen setzt."

Weiße Farben verwendeten auch die Künstler der Avantgarde. Der Ausspruch des "weißen Abgrund Unendlichkeit", der ebenfalls Teil der Diskussion war, ist einem Zitat des Künstlers Kasimir Malewitsch entlehnt. Anlass der Veranstaltung war die Düsseldorfer Ausstellung „Kandinsky, Malewitsch, Mondrian – Der weiße Abgrund Unendlichkeit“, die noch bis zum 6. Juli 2014 im K20 am Grabbeplatz im Programm der Quadriennale zu sehen ist.