Kunstsammlung NRW
Führung durch die Präsentation "My Phantasies", Marion Ackermann mit Besuchern an ihrem letzten Tag in Düsseldorf, Foto: Kunstsammlung
notes

Fragen zum Schluss: Marion Ackermanns letzter Tag in Düsseldorf mit Aufforderung zum Gespräch

Zum 1. November 2016 wechselte Kunstsammlungsdirektorin Marion Ackermann als Generaldirektorin an die Staatlichen Kunstsammlungen nach Dresden. Anlässlich ihres Weggangs aus Düsseldorf blickte sie an ihrem letzten Tag in Düsseldorf noch einmal auf ihre fast acht Jahre als Direktorin der Kunstsammlung zurück. Unzählige Gespräche mit Besucherinnen und Besuchern, Freunden und Followern lieferten in dieser Zeit eine lange Liste von Denkanstößen: Was machen Theater angesichts aktueller gesellschaftspolitischer Entwicklungen besser als Museen? Wie kann ein zeitgemäßes Urheberrecht für das digitale Zeitalter aussehen? Was wünschen sich die Besucher von morgen für die Institution Museum?

In ihrer Düsseldorfer Zeit wurden für Marion Ackermann viele Fragen aus dem Museumsalltag – nicht zuletzt im Dialog –  beantwortet. Doch einige "lose Enden" blieben. Also luden wir ein, gemeinsam mit dem Publikum Bilanz zu ziehen. Am Vormittag in Form einer letzten Führung durch die Sammlungspräsentation "My Phantasies" im K21. Am Nachmittag zu einem offenen Gespräch im Lokal Lieshout.

Die diskutierten Anregungen, die an beiden Stationen entstanden sind, möchten wir im Online-Magazin #32 in einer letzten "note" für Marion Ackermann zusammenfassen und dokumentieren. Fragen, die bleiben.

Führung mit Marion Ackermann im K21, Foto: Kunstsammlung


Erste Station am Morgen: Führung für's Publikum

Ihr letzter Tag in Düsseldorf begann mit einer Führung: Als kleines Dankeschön waren – "stellvertretend für alle Besucherinnern und Besucher", wie Marion Ackermann lächelnd sagte – 25 Gewinner zu einer Führung durch die Sammlungspräsentation "My Phantasies" im K21 eingeladen worden. Mehr als zwei Stunden Zeit verbrachte die Gruppe aufmerksam und mit vielen Fragen an die scheidende Direktorin im Untergeschoss von K21. Ein Thema, das sich durch den Tag ziehen sollte: Wie sind Ankäufe und Neuerwerbungen in den Zeiten immer knapper werdender Mittel und zugleich steigender Kunstmarkt-Preise für ein Museum noch möglich? Wie wählt man aus? Für welche Werke und Schwerpunkte entscheidet man sich?

Der Rundgang führte zu Werken, die im Zuge einer Ausstellung ins Haus gekommen oder eigens für sie entstanden sind, etwa der Beitrag von Rosemarie Trockel zur Bildhauer-Ausstellung 2013 oder der 2014 entstandene dritte Teil der "Cabaret Crusades"-Reihe von Wael Shawky. Viele Anekdoten und ein reger Ideenaustausch mit den Künstlern sind fast immer mit den Ankäufen verknüpft. Aber auch geplante und überraschende Schenkungen können Anlass eines Neuerwerbs sein, etwa eine Arbeit von Paul Klee, die von einer Privatperson in die Sammlung übergeben worden ist. Viele Ankäufe und Erwerbungen sind schließlich nicht denkbar ohne die enorme Unterstützung von Unterstützern und Förderern, etwa der Gesellschaft der Freunde der Kunstsammlung oder der Stiftung für Junge Kunst e.V., die den Ankauf eines Werks der jungen Künstlerin Pauline M’barek ermöglichte.

Während die diskutierten Fragen im Laufe der Führung sich immer wieder um die Werke oder die Geschichte ihrer Erwerbung drehten, wurde es das Gespräch ab 13.00 Uhr dann zu einem offenen Experiment...

 
Offener Raum für Diskussionen: #FragenZumSchluss im Lokal Lieshout

Eingeladen hatten wir zur Aktion #FragenZumSchluss: Nur die Rahmenbedingungen waren festgelegt. Wir sitzen gemeinsam mit Marion Ackermann von 13.00 bis 15.00 Uhr im Lokal Lieshout und wollen diskutieren. Analog im Raum und digital im Netz. Wer sich zu uns gesellen sollte und welche Fragen dabei auf den Tisch kommen würden, war ungewiss.

Schließlich fand sich eine bunt gemischte Gruppe von Interessierten um einen Tisch herum zusammen: eine junge Kunsthistorikerin, ein früherer Architekt, eine Journalistin, ein ehemaliger Kulturpolitiker und weitere, zufällig vorbeikommende Besucher nahmen an der Diskussion mit Marion Ackermann teil. Darunter waren auch die Stimmen von Internet-Usern, die uns nach Ankündigung des Gesprächs ihre Fragen zukommen ließen. Diese ungewöhnliche Konstellation gab Gelegenheit, auf sehr unterschiedliche Fragen einzugehen. Die Anwesenden konnten Einblicke in den Arbeitsalltag einer Museumsdirektorin gewinnen und widmeten sich aber auch den großen Fragen, mit denen Kunstmuseen heute konfrontiert sind.

Die Teilnehmer der Diskussion mit Marion Ackermann im Lokal Lieshout, Foto: Kunstsammlung

Was es bedeutet, ein Museum zu leiten und eine Vision für eine große Kulturinstitution zu entwickeln, rekapitulierte Marion Ackermann anhand ihrer Erfahrungen in Düsseldorf und auch ihrer Pläne für Dresden. Man müsse einerseits die Besonderheit, durch die sich ein Haus auszeichnet, herausarbeiten. Der Schwerpunkt der Kunstsammlung ist über Jahre hinweg das Sammeln gewesen. Zu diesen Konstanten werden weitere strategische Ziele formuliert wie das verstärkte Fördern von Künstlerinnen und der zeitgenössischen Kunstproduktion. So wurde die Grabbehalle des K20 während Ackermanns Amtszeit zum Drehort für einen Film des ägyptischen Künstlers Wael Shawky.

Diese strategischen Ziele sind besonders wichtig in einer Zeit, in der das Amt des Direktors von schnelleren Ortswechseln als früher geprägt ist. Die Frage nach der Möglichkeit, autonom Entscheidungen zu treffen und eine Vision umsetzen zu können, ist ebenfalls bedeutsam, wenn es um die Finanzierung von Museen geht. Welche Eintrittspreise verlangt man von den Besuchern und verschafft sich damit den Entscheidungsfreiraum, der bei anderen Finanzierungswegen eventuell nicht gänzlich gegeben ist?

Diese konkreten, kulturpolitischen Fragen an Marion Ackermann wurden ergänzt durch viele große Themen, zu denen sich Museen national und international weiterhin – wenn nicht sogar verstärkt – befragen lassen müssen: So galt es an diesem Nachmittag insbesondere die Probleme anzusprechen, die immer noch offen sind. Bei weitem nicht nur in Düsseldorf stellt sich nach wie vor die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, ein breiteres Publikum für die eigenen Ausstellungen und Sammlungen zu interessieren: Eindeutig scheint hier frühzeitige kulturelle Bildung der Königsweg zu sein, der es von Anfang an ermöglicht, Hemmschwellen gegenüber der Institution Museum abzubauen. Dabei tragen die Museen aber Sorge, diese Vermittlung mittels der Kunst zu gestalten und nicht die Kinderprogramme von den eigentlichen Inhalten des Museums abzuspalten.

Bei der Erörterung dieser Frage spielt auch die Kontextualisierung des Museums an seinem Standort eine wichtige Rolle: Kann und sollte ein Museum verstärkt an interdisziplinären Projekten teilnehmen, bei denen ein Austausch zwischen den Künsten und ihrer Rezipienten stattfindet? Welche sind die Voraussetzung für die Aufführung eines Theaterstücks in den Räumen der Kunstsammlung? Diese Verschränkung scheint schwerer umsetzbar zu sein, als man annehmen würde. Und doch bleibt sie ein wichtiger Gedanke, besonders wenn im tagesaktuellen Kontext nach den sozialen und politischen Wirkungsmöglichkeiten und -aufgaben von Kulturinstitutionen gefragt wird.

 

 

#FragenZumSchluss, Foto: Kunstsammlung

Vielleicht ist es aber auch der Blick auf andere Teile der Welt, der alternative Modelle zu den Arbeitsweisen von Museen aufweist. Geprägt vom humboldtschen Bildungsideal sind die Museen in Deutschland ein Ort des Kanons, an dem Wissen nur in eine Richtung vermittelt wird, und zwar von der Institution zum Besucher. "Wir" kennen es nicht anders, und doch wäre es sicher bereichernd, pragmatischere Herangehensweisen für die Beteiligung von Besuchern an Entscheidungsprozessen im Museum zur Kenntnis, wenn nicht sogar als Inspiration zu nehmen.

In Bezug auf die Entwicklungen von Museumssammlungen sind außerdem weiterhin Fragen nach dem Bedeutung der Netzkunst offen, auf die uns ein Follower auf Twitter aufmerksam gemacht hat: Wie geht eine Institution wie die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen um mit Kunst, die "gerade frisch" entsteht? Und wie positioniert sie sich dabei im Geflecht der verschiedenen Museen mit ihren Schwerpunkten?

 

 

#FragenZumSchluss: Diskussion im Netz


Natürlich konntent an diesem Nachmittag nicht auf alle Fragen Antworten gefunden werden. Im Vordergrund stand die sichere Erkenntnis, dass die Zukunft viele und große Aufgaben für die Museen bereithält. Nicht zuletzt fällt darunter die Beantwortung folgender Frage, mit der wir schließen möchten:

Was ist das Besondere des Museums?


Am Abend: Abschied nehmen

Inspiriert von einem neugierigen und mäandernden Dialog am Nachmittag verabschiedete sich Marion Ackermann nach zwei Stunden im Lokal Lieshout zu ihrem letzten Termin, ihrer Verabschiedung am Abend. Die Gesellschaft der Freunde der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, dem Museum seit Jahrzehnten mäzenatisch eng verbunden, hatte dazu ins K20 eingeladen.

Unzählige Fragen werden auch hier gestellt worden sein, einige wurden vielleicht beantwortet. Die Veranstaltung für rund 400 geladene Gäste hatte privaten und persönlichen Charakter, daher endet hier unsere Berichterstattung vom letzten Tag Marion Ackermanns in Düsseldorf.

Verabschiedung von Marion Ackermann am Abend des 28. Oktober 2016, Foto: Sebastian Drüen


Das Team von
#32 bedankt sich für die vielen kreativen und ideenreichen Beiträge in diesem Online-Magazin, dessen Konzeption sie maßgeblich mitgestaltet, deren Themen und Gedanken sie immer aufmerksam verfolgt hat. Bis bald und auf Wiedersehen in Düsseldorf, liebe Marion Ackermann!

 

 

Marion Ackermann, Foto: Kunstsammlung

Redaktion: Alissa Krusch, Jan-Marcel Müller
Digitale Kommunikation der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen