Richie Hawtin: "The Art of DJing" – wenn sich Kunst und Soundinstallation im Raum begegnen
Das harmonisch ausbalancierte Zusammenspiel visueller und architektonischer Momente mit der elektronischen Musik, prägt das Interesse des kanadischen DJs Richie Hawtins und findet einen künstlerischen Höhepunkt in der für Andreas Gursky geschaffenen Soundinstallation Gursky Modular 2 (2016).
Noura Dirani beschreibt für #32 das Verhältnis des Musikers zur bildenden Kunst und stellt den eigens für die Gursky-Ausstellung im K20 produzierten Track vor. Diesen könnt Ihr Euch exklusiv auf dieser Seite anhören.
Der kanadische Musikproduzent und DJ Richie Hawtin ist seit den 1990er Jahren für die Innovation des Genres elektronischer Musik und technischer Musikinstrumente bekannt. Sein Interesse für das Verhältnis zwischen visuellen Zeichen und auditiven Frequenzen spielt eine konstitutive Rolle in seinem Schaffen.
Mit seinen multimedialen Live-Performances unter dem Pseudonym "Plastikman" ermöglichte Hawtin dem Besucher erstmals ein audiovisuelles Erleben elektronischer Musik. Dabei sind Hawtins Bühnenperformances durch architektonische Einbauten und Lichteffekte geprägt, die ihre Entsprechung in seiner Musik finden und die fast performativ anmutenden Körperbewegungen des Musikers zu spiegeln scheinen.
Schon mit "Contain" (1998) verarbeitet Hawtin als "Plastikman" Raum- und Architekturerfahrungen, die er Ende der 1990er Jahre machte: Inspiriert durch Werke Mark Rothkos, die durch ihren Farbauftrag eine erhabene Wirkung im Betrachter hervorrufen, oder auch durch Skulpturen von Anish Kapoor interessierte Hawtin sich verstärkt für das Verhältnis zum Umraum.
In den letzten Jahren schuf er unter anderem für das Grand Palais in Paris (2011) und das Guggenheim Museum in New York (2013) Toninstallationen und Performances, wobei er mit seiner Musik auf die jeweilig spezifische räumliche Gegebenheit reagierte und die wechselseitige Beeinflussung von Technologie und zeitgenössischer Kunst untersuchte.
Installation der Werke von Andreas Gursky in der Kunstsammlung NRW
Zuletzt schuf er im Sommer 2016 eigens für die Ausstellung Andreas Gursky – nicht abstrakt im K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen eine minimalistische Soundinstallation, die das fotografische Werk Gurskys begleitete. Andreas Gursky selbst sieht eine Analogie in den rhythmisierenden Klangmustern der elektronischen Musik zu den abstrakten Formen seiner Fotokunst: Reihung, Muster und Wiederholung. Durch sie sucht der Künstler eine direkte Bildwirkung zu erzielen. Hawtin reagiert dabei auf die Bilder Gurskys mit einer Soundinstallation, die weniger rhythmisch den Raum füllt und die ‚Leerstelle’ im Bereich des Auditiven zu schließen scheint. Das hörbare Äquivalent scheint die Wirkung der Bilder noch zu verstärken und den Besucher zum Verweilen einzuladen.
Soundinstallation Gursky Modular 2
Im Ausstellungsraum jedoch sind die Lautsprecher für den Besucher als Quelle dieser auditiven Frequenzen nicht sichtbar. Eingebaut in die Ausstellungswände, werden diese zu vibrierenden Membranen und finden in den Werken Gurskys ihre Entsprechung. Mit der Cocoon-Serie komponiert Gursky Bilder, die das musikalische Erleben unmittelbar zu übersetzen scheinen: Die sich wiederholenden, metallisch glänzenden Strukturen der wabenförmig geschwungenen Klangwände des Clubs pulsieren förmlich zu den Rhythmen der elektronischen Musik.
Wir danken Richie Hawtin und seinem Studio für die Zurverfügungstellung des Tracks "Gursky Modular 2", den wir an dieser Stelle gemeinsam mit den Installationsfotos der Ausstellung dokumentieren möchten.
Autorin Noura Dirani ist Kunsthistorikerin und seit Herbst 2015 wissenschaftliche Volontärin an der Kunstsammlung. Mit den Künstlern und ihren Teams arbeitete sie intensiv in der Ausstellung im K20 vor Ort zusammen.
Andreas Gursky — nicht abstrakt
K20 Grabbeplatz
2. Juli bis 6. November 2016
Am 10. November 2016 eröffnet Andreas Gursky in der New Yorker Gagosian Gallery die nachfolgende Ausstellung "Not Abstract II". Auch für diese Schau hat er mit Richie Hawtin zusammen gearbeitet.
Andreas Gursky
Not Abstract II
Gagosian Gallery, New York
10. November bis 23. Dezember 2016