Kunstsammlung NRW

Aufgefrischt: Von der Restaurierung eines begehbaren Kunstwerks

Restauratoren im Museum haben es nicht nur mit Papier und Farbe zu tun. Spätestens seit Joseph Beuys bestehen Werke aus den verschiedensten Materialien, in der jüngeren und zeitgenössischen Kunst nehmen Raum- Installationen oft enorme Ausmaße an. Doch auch diese Werke werden im Museumsalltag ebenso professionell betreut wie die so genannte „Flachware“, also alles was gerahmt an der Wand hängt.

Restauratorin Nina Quabeck begleitete im vergangenen Jahr die umfangreiche Restaurierung der Arbeit „Intensif-Station“ des Künstlers Thomas Hirschhorn im K21. 

Für #32 fragten wir sie nach den einzelnen Schritten dieses Prozesses. Mit zahlreichen Bildern gibt sie einen exklusiven Einblick in ihren Arbeitsbereich.


Thomas Hirschhorns Intensif-Station

Die „Intensif-Station“ von Thomas Hirschhorn wurde eigens für das K21 konzipiert. Das begehbare Kunstwerk, das sich über zwei Ausstellungsräume erstreckt, besteht neben fünf großen Skulpturen und einer Reihe von Collagen aus Gebrauchsgegenständen und Materialien aus dem Alltag. Zu finden sind Secondhand-Möbel, ausgediente Rollstühle und braunes Klebeband, Pappe, Holzlatten, Bauschaum und Neonröhren.  

Es ist in der internationalen Museumslandschaft eine Besonderheit, ein derartig großes und komplexes Werk von Thomas Hirschhorn dauerhaft zu präsentieren. Denn: Während viele Museen die Arbeiten des Schweizer Künstlers in ihren Sammlungs-Depots bewahren, gibt es nur in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen einen Hirschhorn-Künstlerraum, der permanent zu besichtigen ist! Für die Restaurierung eine beachtliche Herausforderung…

Installationsansicht im K21: Thomas Hirschhorn, Intensif-Station, Intensif-Station, 2010, diverse Materialien, Maße variabel, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, © VG Bild-Kunst, Bonn, Foto: Romain Lopez

Ausgangslage: OP-Beleuchtung auf Papier

Betreten die Besucher die Räume, fühlen sie sich  in die Notaufnahme eines Krankenhauses versetzt. Unter flimmernden Monitoren und greller OP-Beleuchtung gehen sie vorbei an Krankenhaus-Requisiten, leeren Wasserflaschen und Plastikstühlen. Diese extreme Beleuchtungssituation, die Teil des künstlerischen Konzepts ist, hatte allerdings über die Jahre im K21 eine Veränderung der Collagen verursacht. Die roten Farbmedien, mit denen der Künstler die Collagen beschriftet und bemalt hatte, waren bei unserer Bestandsaufnahme nicht mehr blutrot wie anfangs, sondern deutlich verblichen.

Vorschlag des Künstlers: Collagen überarbeiten

Die kurze "Verfallszeit" dieser lichtempfindlichen Kunstwerke führt die bisher gültigen Sammlungskriterien der Langlebigkeit, der Authentizität und Werthaltigkeit fast ad absurdum und fordert eine veränderte kuratorische und konservatorische Praxis. Um diese Teile der Installation möglichst lange in ihrer vom Künstler gewählten ursprünglichen Form präsentieren zu können, wurde – nach präziser, umfassender Dokumentation – beschlossen, dem Vorschlag von Thomas Hirschhorn zu folgen und die Collagen im Atelier überarbeiten zu lassen. In der Restaurierung zeitgenössischer Kunst ist die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Künstler von unschätzbarem Wert.

Vorbereitung: Materialuntersuchung

Vorbereitend wurde in Zusammenarbeit mit dem Atelier des Künstlers  erst einmal eine Auflistung verwendeten Materialien erstellt. Diese Malmittel – Filzstifte und Kugelschreiber aus dem Schreibwarenbedarf – wurden dann am Studiengang für Papierrestaurierung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart auf ihre Lichtechtheit untersucht.

In der Lichtalterung schnitten die vom Künstler ursprünglich verwendeten Kugelschreiber und Filzstifte schlecht ab. Stifte mit Pigmenttinte aus dem Künstlerbedarf hingegen wiesen eine sehr gute Beständigkeit auf.

Überarbeitung im Atelier

Gemäß der Testergebnisse wurden für die Überarbeitung also mehrheitlich die lichtechten Stifte benutzt. Die Collagen wurden im K21 de-installiert und nach Paris ins Künstleratelier transportiert. Dort wurden sie unter Aufsicht Hirschhorns von einer Assistentin überarbeitet.

Digitalisierung in der Restaurierung

Im Sinne der Nachhaltigkeit wurde nach der Überarbeitung eine Digitalisierung der Werke durchgeführt, in Zusammenarbeit mit Recom Art Care in Berlin. Gegenüber dem Abfotografieren bietet ein digitaler Scan für die Restaurierung verschiedene Vorteile: Die genaue Oberflächendokumentation dient als Referenz, um über einen längeren Zeitraum Schäden oder Veränderungen am Kunstwerk beurteilen zu können. In der Vergrößerung auf dem Computerbildschirm ist für einen Restaurator mit geübtem Blick jedes Staubkorn, jeder Riss, jede Druckstelle, jede feine Papierfaser erkennbar.

Der Scanprozess ist selbst ist aufwändig: Die Bilder werden genau zentriert auf dem Scan-Tisch ausgerichtet, damit der Scanner sie optimal erfassen kann. Beim Scan bewegt sich nicht etwa die Lichtquelle über dem Objekt, sondern der gesamte Scan-Tisch. Langsam fährt dieser unter dem Lichtkanal hindurch. Ein Scan dauert zwischen 15 und 25 Minuten, die Dauer ist dabei abhängig von Auflösung und der Größe der Vorlage.      

Für’s Archiv: Ursprungszustand dokumentiert

Die Bilddaten werden anschließend am Rechner geprüft. Hierbei werden Proofs erstellt und mit dem Original verglichen. Wichtig ist, dass dies nicht nur mit bloßem Auge geschieht, sondern mit Hilfe eines Spektrometers, das die genauen Farbwerte misst. Ziel bei dem vom Digitalisierungs-Dienstleister entwickelten Verfahren ist es, dass die spektralen Werte (CIE-Lab) des Originals mit denen in der Datei und auf dem Proof konsistent sind. Im Ergebnis erhält man eine objektiv messbare digitale Referenz.

Für die Restaurierungsabteilung der Kunstsammlung zugleich eine Investition in die Zukunft: Durch die Erstellung der Digitalisate wird der ursprüngliche Zustand der Collagen, so wie sie im Künstleratelier wiederhergestellt wurden, nun auch für die Zukunft erhalten.


Text: Nina Quabeck
Redaktion: Alissa Krusch

Nina Quabeck ist seit 12 Jahren Papierrestauratorin an der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Die Begeisterung für ihren Beruf hat sie sich dabei immer erhalten. Ein Besuch in der Restaurierung ist auch für alle Kolleginnen und Kollegen des Museums immer wieder ein spannender Blick hinter die Kulissen – und angesichts der Komplexität des Berufsfelds gerne auch mal eine Erinnerung an ferne Schulstunden in Chemie oder Physik.

Marlen Boerngen, die Fotos und Material für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat, hat 2014 ihre Master-Arbeit über die Restaurierung der Intesif-Station geschrieben und mit dem Master of Arts an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart abgeschlossen. Derzeit arbeitet sie als Volontärin in der Papierrestaurierung des Restaurierungszentrum der Landeshauptstadt Düsseldorf

 

Mehr zu Thomas Hirschhorn:
Mitschnitt des Künstlergespräch bei F3 vom 25.09.2014

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