Kunstsammlung NRW

Ein literarischer KPMG-Kunstabend

Während die Uecker-Ausstellung kurz vor ihrer Eröffnung stand, konzentrierte sich der KPMG-Kunstabend im Februar 2015 einmal wieder ganz auf die Sammlung. Als besonderes Highlight – neben den Führungen – stand im Programm eine Lesung von Texten über „Sonderbare Museumsbesuche“.

Maria Müller-Schareck blickt für #32 zurück auf diesen literarischen Kunstgenuss.

Besucher in Museen zu beobachten, sie zu beschreiben und über ihre Beziehung zu den Exponaten nachzudenken, ist für Schriftsteller seit Jahrhunderten höchst anregend.

In besonderer Weise bezeugt das etwa der 2013 erschienene Roman »Der Distelfink« von Donna Tartt. Dem Protagonisten, einem zu Beginn 13jährigen Jungen, fällt in Folge eines terroristischen Anschlags im Museum, den er schwer verletzt überlebt, das meisterhafte und bestechend schöne Bild eines Distelfinken in die Hände. Gegen alle guten Argumente behält er es bei sich, es wird sein ganzes Leben maßgeblich bestimmen.

Andere Autoren beschreiben Kunstfreunde, die sich zugunsten der Kunst vom Leben abgewandt haben; sie erzählen von Brautleuten auf der Hochzeitsreise, die eigentlich Museumsreise heißen müsste; sie schildern die Überfülle, der man in manchen Sammlungen begegnet ebenso wie das Ehrfurchtgebietende der stillen, manchmal menschenleeren Säle. Sie erzählen aber auch von überfüllten »Blockbuster«- Ausstellungen, in denen keiner mehr ein Bild angemessen zu betrachten vermag, in denen es nur noch darum geht, dabei gewesen zu sein oder eine Postkarte zu versenden, die man im Museumsshop erwarb. Immer wieder beobachten sie auch die Menschen, die Tag für Tag neben den Werken stehen um sie zu schützen, von deren Verhältnis zu den Bildern und zu den Besuchern.

Aus der Fülle solcher Geschichten hatten wir einige wenige ausgewählt und die höchst vielseitige und wunderbare Schauspielerin Claudia Hübbecker eingeladen, sie vorzulesen. Als Mitglied des Ensembles am Schauspiel Düsseldorf überzeugte Hübbecker zuletzt als Winnie in der eindrucksvollen Inszenierung von Samuel Becketts »Glückliche Tage«. Momentan spielt sie in Gerhard Hauptmanns Drama »Die Ratten«, das in der Inszenierung von Volker Lösch zugleich eine tiefgründige Debatte über die Möglichkeiten des Theaters ist, und ziemlich respektlos eine mögliche Zukunft der Düsseldorfer Bühne entwirft.

Manchmal nachdenklich, dann wieder mitreißend und höchst temperamentvoll las Claudia Hübbecker umgeben von den großformatigen Bildern im sogenannten „Amerikanersaal“ aus folgenden Texten:

Schauspielerin Claudia Hübbecker, Foto: Judith Michaelis

Friedrich Schiller: Die Antiken zu Paris, 1803

Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst (1911), Bern 1952 (S. 24)

Hans Christian Andersen
: »Ein Herzeleid«, aus: Andersens Märchen

Juan Moreno
: »Die beste Methode, Bilder zu verstecken«, in: Süddeutsche Zeitung, 3./4. April 2004

Josef Roth
: »Das Museum« (1929), aus: Werke, Band 3, Köln / Amsterdam
1991

Paul Valéry
: »Das Problem der Museen« (1923), aus: Paul Valéry Werke, Bd. 6, Frankfurt am Main 1995

Javier Marias
: »Das Feuerzeug des Museumswärters« aus: Mein Herz so weiß, Stuttgart 1996 (S. 133−149)

Robert Gernhardt
: »Das hab ich bei Vermeer gelernt«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Mai 1996

Djurna Barnes
: Die Frau, die auf Reisen geht, um zu vergessen, Berlin 1992

Diese und weitere Texte finden Sie in zwei besonderen Publikationen: Sonderbare Museumsbesuche. Von Goethe bis Gernhard, gesammelt und kommentiert von Walter Grasskamp, München 2006 / Menschen im Museum, gefunden und herausgegeben von Christoph Stölzl, Berlin 1997.