Kunstsammlung NRW
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Museumsbesuch undercover: Der „Zürich-Sprayer“ besucht Malewitsch

Als bisher größte Schenkung hat die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen unlängst ein bedeutendes Gemälde und 43 Zeichnungen des russischen Kunst-Revolutionärs Kasimir Malewitsch erhalten.

Der Schweizer Künstler Harald Naegeli, seit langem besser bekannt als „Sprayer von Zürich“, begeistert sich insbesondere für die sensiblen Zeichnungen, an denen sich die wichtigsten Stil-Merkmale Malewitschs von 1911 bis 1930 ablesen lassen.  Naegeli, selbst feinsinniger Zeichner, dessen mit sicherem „Strich“ gesprühte Figuren einerseits für juristische Verfolgung, andererseits für die Begeisterung der Kunstwelt sorgen, hat sich die Zeichnungen seines russischen Kollegen im K21 angesehen.

Für #32 begleitete Gerd Korinthenberg den in Düsseldorf „undercover“ lebenden, öffentlichkeitsscheuen Schweizer durch die Ausstellung.

Installationsansicht "Imi Knoebel - Malewitsch zu Ehren", Foto: Achim Kukulies

#32: Harald Naegeli, was ist Ihr erster und spontaner Gedanke beim  Blick auf diese Abfolge von Zeichnungen?

Naegeli: Bei Malewitsch verführen die wunderbaren geometrischen Konstellationen und Elementarformen leicht zu der Annahme, dass diese das erstrebte Ziel und der ästhetische Selbstzweck seien. Doch sind dies vielmehr die Mittel für einen neuen Prozess des Sehens, des Schauens, des Denkens!

#32: Sie tragen selbst stets einen Zeichenstift und ein Notizbuch bei sich, skizzieren das Gesehene möglichst häufig mit schnellem Strich. Wie geht Malewitsch nach Ihrer Einschätzung vor? Was ist das hervorstechendste Ergebnis?

Naegeli: Zunächst müssen wir uns vorstellen, dass der Künstler die Blätter in ein Notizbuch gezeichnet hat, auf einem Tisch. Sein Sehen und Zeichnen richtet sich also notwendig gegenständlich nach unten, auf den Boden, um gerade so den unendlichen Raum zu suggerieren, der uns jetzt frontal an den Wänden vorgeführt wird. Das leicht getönte Papier steht stellvertretend für diesen unendlichen Raum. In ihm sind ungeheure Energien, die er jeweils symbolisch mit den typischen geometrischen Formen plastisch und sichtbar macht. 

Detail, Foto: Wilfried Meyer

#32: Unverkennbar und allgegenwärtig sind bei den Zeichnungen Malewitschs, dem Schöpfer des revolutionären "Schwarzen Quadrats", die Rahmen, die sichtbar schnell gezeichneten Rechtecke um seine Motive.  

Naegeli: Mit  einem Rechteck, das wie ein Fenster oder ein Schacht wirkt, fokussiert er – für sich und den Betrachter – den Blick auf eine jeweils einmalige suprematistische Figuration. Gelegentlich entdeckt man neben dem Fenster wie ein Satellit eine kleinere Figuration.

Wenn man die Zeichnungen aus einem größeren Abstand betrachtet, verschwinden die einengenden Fenster und alles geht in den imaginären Raum über. Um dem Wesen dieser Zeichnungen näher zu kommen, ist die Betrachtung sowohl aus großer Nähe – fast mit der Nase am Bild, um die feinsten Modulationen von Bleistiftstrich und Tönung wahrzunehmen – ebenso geeignet, wie auch der Blick aus mehreren Metern Abstand.

Dasselbe gilt auch für meine urwolke, den aus kleinsten Tuschezeichen gefügten unendlichen Zeichnungen,  wo der unendliche Raum von einer unendlichen Zeit-Addition symbolisiert wird.

Der Sprayer von Zürich, Foto: privat


Text und Interview: Gerd Korinthenberg


Die Ausstellung Imi Knoebel – Malewitsch zu Ehren ist noch bis zum 30. August 2015 in der Bel Etage von K21 Ständehaus zu sehen. Gezeigt werden neuste Wand- und Raumarbeiten des Künstlers Imi Knoebel neben suprematistischen Arbeiten von Kasimir Malewitsch aus dem Bestand der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.

Zur Ausstellung

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