Kunstsammlung NRW
Maria Veits im F3 Schmela Haus, Foto: Kunstsammlung
essay

Mach, was du willst! Eine Anleitung zum Leben im Schmela Haus

Mit den Worten "Entweder Du liebst es, oder Du hasst es" wurde Maria Veits, freie Kuratorin aus St. Petersburg, im F3 Schmela Haus begrüßt. Dort wohnte die Mitbegründerin der Kunstorganisation Creative Association of Curators TOK im Rahmen eines kuratorischen Stipendiums mehrere Monate lang - für #32 berichtet sie von Beton, Aldo von Eyck und nächtlichen Polizeisirenen.

„Entweder Du liebst es, oder Du hasst es“ – mit diesen Worten begrüßte mich Ansgar Lorenz, wissenschaftlicher Volontär am K20, im Schmela Haus, wo ich während meines kuratorischen Aufenthaltsstipendiums an der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen drei Monate lang wohnen sollte.

Schon beim Betreten des Hauses hatte ich gemischte Gefühle; es wirkte düster, roh und zu groß für eine einzelne Person. Außerdem sehr industriell und dunkel. Asketisch. Kahl. Warm. Architektonisch anspruchsvoll. Einzigartig. Ohne die geringste Ähnlichkeit mit anderen Räumen, in denen ich zuvor gelebt hatte. Das Wechselspiel meiner Empfindungen muss sich auf meinem Gesicht widergespiegelt haben, denn Ansgar fügte sofort hinzu: „Ach, und übrigens, Susan Philipsz hat hier gewohnt, als sie an ihrem Werk für das K21 arbeitete.“ Nun, wenn das für sie hier in Ordnung war, wird es das wohl auch für mich sein.

An meinem ersten Morgen im Schmela Haus wachte ich auf, weil die Glocken der St. Andreas Kirche, die eine der schönsten Orgeln hat, die ich je gesehen habe, gar nicht mehr aufhörten zu läuten. Jetzt wecken sie mich jeden Tag auf. Und nachts die Sirenen der Polizeiautos. Wer hat eigentlich gesagt, Düsseldorf sei ein ruhiger Ort? Jedenfalls nicht in der Altstadt um Weihnachten herum; soviel steht fest!

Ein Gebäude mit Charakter

Nun, da ich lange genug im Schmela Haus gewohnt habe, kann ich sagen, dass man zwar eine recht komplizierte Beziehung zu diesem Ort haben kann, aber sich eine solche auf jeden Fall entwickelt, so wie zu einer Person. Jedenfalls hat dieses Gebäude definitiv einen ganz eigenen Charakter.

Das 1971 von dem holländischen Architekten Aldo van Eyck errichtete Schmela Haus ist ein einzigartiger Ort und eine außergewöhnliche Erfahrung. Ohnehin ist es außerordentlich und aufregend, in dem einzigen Gebäude zu wohnen, das van Eyck in Deutschland errichtet hat. Darüber hinaus liegt das Schmela Haus mitten in der Düsseldorfer Altstadt und damit in der Nähe von K20 und K21, Kunsthalle, Museum Kunstpalast, Filmmuseum, KIT und anderen bedeutenden städtischen Kunst- und Kulturschauplätzen. Außerdem ist es ein riesiger Raum, ideal um im Zentrum der Stadt eine private Party steigen zu lassen.

Tetris im Experiment: Aldo van Eyck

Van Eyck war ein Architekt, der seiner Zeit um Jahre voraus war und Projekte realisierte, die Gegensätze miteinander verbanden und Polaritäten erkundeten. Außerdem experimentierte er mit Form und Gestalt und forderte traditionelle Architekturkonventionen heraus. So kombiniert etwa das Amsterdamer städtische Waisenhaus, das er 1955-60 errichtete, Elemente griechischer Architektur, arabisch anmutender Häuser und die Idee einer afrikanischen Siedlung miteinander. Überdies sieht der gesamte Waisenhauskomplex wie eine kleine Stadt aus, deren Grundriss an das Computerspiel Tetris erinnert.

Eine der Hauptideen des Architekten war es, Gebäude in engem Zusammenhang mit dem städtischen Kontext und möglichst multifunktional zu entwerfen. Zugleich schätzte er den menschlichen Aspekt der Architektur und berücksichtigte sehr genau das Verhältnis zwischen der Struktur des Gebäudes, seinem Verwendungszweck und dem persönlichen Hintergrund der Bewohner. Diese architektonischen Prinzipien erschließen sich fast unmittelbar, wenn man im Schmela Haus lebt.

Der ortsansässige Künstler Andreas Schmitten erhielt 2013 den Auftrag, sich mit dem öffentlichen Teil des Gebäudes, das von der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen seit 2009 genutzt wird, auseinanderzusetzen. Er gestaltete die Atmosphäre und entwarf das Innere des Vortragssaals und die Bar. Das in warmen Farben – Rot, Gelb und Orange – gehaltene und mit gemütlichen Möbeln und Lampen ausgestattete Innere kontrastiert mit den kalten Backsteinwänden des Gebäudes. Schmitten, der sich ausgiebig mit anderen Bauten van Eycks in den Niederlanden beschäftigte, bevor er seine Arbeit am Schmela Haus aufnahm, sagt, er habe sich von Filmsets und Modellen für Filmszenen inspirieren lassen. Mich erinnern der leichte Retroton der Bar und des Vortragssaals außerdem an Andorra, ein Kino mit einigen Bars in Helsinki, das dem finnischen Regisseur Aki Kaurismäki gehört, von diesem betrieben wird und für sein Filmprogramm und seine öffentlichen Veranstaltungen bekannt ist.

Futur 3: Einen Blick in die Zukunft

Eine weitere wichtige Initiative im Schmela Haus ist – neben dem jeweils donnerstags unter dem Namen Futur 3 stattfindenden  Diskussionen, Gesprächen und Filmvorführungen – das Programm der Aufenthaltsstipendien für internationale Kuratoren und Kuratorinnen. Insbesondere Kuratoren aus nichteuropäischen Ländern sind eingeladen, die örtliche Kunstszene zu erforschen. Ich habe das große Glück, die erste längerfristige Stipendiatin des Schmela Hauses zu sein. Es gab Höhen und Tiefen, aber größtenteils war es eine sehr erfreuliche Erfahrung. Das Haus bietet Raum, um für sich zu sein und zu arbeiten. Und wenn man sich etwas einsam fühlt darin, kann man immer jemanden einladen, denn es gibt genügend Platz für eine ziemlich große Menschengruppe! Es ist geräumig und multifunktional. Es ist ziemlich ruhig, doch man fühlt sich nicht vom Leben in der Stadt abgeschnitten. Anfangs mag es etwas hart wirken, doch nach einer Weile liebt man die Steinwände, die drei Balkone und die Lederstühle aus den 1970ern. Außerdem ist dies ein Haus mit einer eigenen Bar! Wie schade, dass ich nicht länger bleiben kann, aber der nächste Besucher steht schon bereit!

Der Künstler Wael Shawky, der den Auftrag hat, ein großformatiges Projekt für das K21 zu produzieren, wird als nächster erfahren, was es heißt, im Schmela Haus zu leben. Ich bin mir sicher, dass es ihm gefallen wird! Mit der Zeit.

 

Maria Veits ist Forscherin, Kuratorin und Mitbegründerin der St. Petersburger Kunstorganisation Creative Association of Curators TOK (www.tok-spb.org/en). Maria ist eine der Gewinnerinnen des von EUNIC (European Union National Institutes for Culture) organisierten Annual Internship Programme for Young Curators 2013-2014. Ihr Praktikum in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen wird vom Goethe Institut unterstützt.

(Übersetzung aus dem Englischen: Nikolaus G. Schneider)

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