Kunstsammlung NRW

Kroatische Avantgarde

Die kroatische Mittelmeerküste ist immer schon sehr beliebt gewesen. Mit Recht, findet unser Autor Julian Heynen, verbindet sich dort eine abwechslungsreiche Landschaft mit alten Städten und schönen Stränden und Inseln.

Für #32 bescheibt er die Kunstszene Kroatiens.

Die Hauptstadt des Landes, das seit 1991 wieder ein unabhängiger Staat ist, steht dagegen etwas im Schatten spektakulärer Orte dieses Teils Europas. Zagreb ist heute im Kern eine typische Provinzhauptstadt der alten österreichisch-ungarischen Monarchie, teilweise überformt und wesentlich erweitert in der Zeit der sozialistischen Volksrepublik Jugoslawien nach 1945. Eine lebenswerte, aber nicht unbedingt aufregende Stadt.

Lohnenswerte Abstecher

Wenn man sich allerdings für die Avantgardekunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessiert, lohnt sich ein Abstecher durchaus. Wie in anderen Teilrepubliken des Landes gab es auch in Kroatien in den 1950er, 60er und 70er Jahren eine Avantgardeszene, die im halboffiziellen Bereich eine beachtliche Aktivität entfalten konnte. Das war kein lokales oder gar isoliertes Phänomen "hinter dem eisernen Vorhang". Die Künstler hatten vielmehr Anschluss an ähnliche Bewegungen im Rest Europas, man tauschte sich mit den Künstlerkollegen aus und hatte – auch wenn die Bedingungen mitunter schwieriger waren als im Westen – durchaus das Bewusstsein, Teil einer internationalen Avantgarde zu sein. Wahrgenommen wurden diese mitteleuropäischen Avantgarden im Westen jedoch kaum. In den kunsthistorischen Überblicken der folgenden Jahrzehnte waren sie so gut wie nicht präsent, es sei denn einzelne Künstler wie etwa Christo oder Marina Abramović zogen es vor, im Westen zu leben. Erst in jüngeren Jahren werden diese mitteleuropäischen Bewegungen auch dort langsam entdeckt.

Museum für zeitgenössische Kunst in Zagreb

In Zagreb wurde schon in den 1950er Jahren mit dem MSU (Muzej suvremene umjetnosti) ein Museum für zeitgenössische Kunst gegründet. Ende 2010 wurde ein ziemlich großer Neubau vollendet und eröffnet, der jenseits des Flusses in der Neustadt liegt. Die Architektur selbst stellt große Ansprüche, kann diesen aber nicht unbedingt gerecht werden. Die Räume im Innern sind nicht einfach zu bespielen, und die Bauausführung lässt im Detail bisweilen zu wünschen übrig. Umso mehr überrascht die sehr dichte und informative Sammlung zur kroatischen Kunst der Moderne, besonders die der 1960er und 1970er Jahre. Und hier sind es besonders Strömungen abstrakter und konkreter Kunst einschließlich kinetischer Arbeiten, das weite Feld der Konzeptkunst und der Performance, sowie Foto- und Videokunst.

Der westliche Besucher erlebt immer wieder Überraschungen, weil sich viele Arbeiten nahtlos mit ihm bekannten Kunstwerken verbinden und zugleich keine Rede davon sein kann, dass hier nur eine Übernahme westlicher Tendenzen stattgefunden hat. Schon die Entstehungsdaten sprechen dagegen. Es dringt vielmehr eine vergessene Tatsache ins Bewusstsein zurück, dass nämlich auch künstlerisch Europa eine Einheit ist, die selbst die Zeit des Kalten Krieges nicht wirklich zerreißen konnte.

Von Krk bis Dubrovnik

Also, beim nächsten Urlaub auf Krk oder Korcula, in Zadar, Split oder Dubrovnik ein Abstecher in dieses Museum, um dort Ivan Kozarić, Julije Knifer, Mladen Stilinović, Selja Kameric, Zlatko Kopljar und viele andere zu entdecken.

http://www.msu.hr/

  1. 13.02.2014 16:36 Lehmann
    Da kann ich nur zustimmen, schreibe momentan über Kameric, Stilinovic pp.,sehr spannend, was dort zu entdecken ist.Wobei Kroatien von der EU-Mitgliedschaft prima profitiert. Ganz im Kontrast zu BiH und Serbien. dort gab und gibt es ebenso spannende Entwicklungen,auch wenn derzeit die ökonomischen und politischen Entwicklungen grauenhaft sind. Die Biennale in Konic (südlich von Sarajevo) und ein Besuch zu Treci Beograd empfehle ich ebenso eindringlich, auch, oder gerade weil wenn es sich hier um außermuseale, spannende "Arrangements" handelt.

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