Kunstsammlung NRW
Sarah Rifky, Foto: Ruud Gielens
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#32 trifft: Sarah Rifky

Erster Gast des Goethe Residency Programs im Schmela Haus

Als erster Gast des F3 Goethe-Residency-Programs war die Autorin und Kuratorin Sarah Rifky aus Kairo für einige Woche an der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Rifky ist Gründerin des Cairo International Resource Center for Art (CIRCA) und Mitbegründerin des Artspace Beirut in der ägyptischen Hauptstadt.

#32: Was ist für Sie der wichtigste Unterschied zwischen der arabischen Welt und dem Norden, wenn es um die äußeren Bedingungen der Kunst- und Museumswelt geht?

Rifky: Hier bei Ihnen spielen die Stadt oder der Staat eine große Rolle bei der Unterstützung von Kunst und Kunstinstitutionen. In Ägypten oder dem Libanon sind alle Kunsteinrichtungen privat oder aber von den Künstlern selbst geleitet. In den Golfstaaten, in Dubai, Katar oder Abu Dhabi, fördert das Hyperkapital die Kunst.


#32: Wenn man es überhaupt verallgemeinern darf und kann, wie stellen sich die inneren Bedingungen für Künstlerinnen und Künstler in der arabisch-islamischen Welt dar? 

Rifky: Generalisierend ausgedrückt, haben die Künstler in der arabischen Welt ein stärkeres Verhältnis zur Tradition, zur Sprache und zu ihrer Kultur. Gerade die arabische Sprache und ihre Poesie sind sehr wichtig und spielen auf direkte oder indirekte Weise eine große Rolle. Das bemerkt man beispielsweise auch im Werk von Wael Shawky.

In der Arbeit von manchen jungen Künstlern in Saudi Arabien zum Beispiel ist die geometrische Form wichtig, die über die arabische Kalligraphie mit der Kunst verbunden ist. Sie stellt die Verbindung zum geschriebenen und gesprochenen Wort her und damit auch zur Religion. Es ist ein komplexes Netzwerk von Sprache, Religion und politischer Situation, in dem die Künstler bei uns arbeiten. Aber viele zeitgenössische Künstler würden ein Problem mit dieser Beschreibung haben, es ist natürlich auch eine Reduktion.

Sarah Rifky (Mitte) im Gespräch mit Günther Hasenkamp, Goethe Institut, Kairo, und Doris Krystof, Kuratorin der Kunstsammlung

#32: Spielt eigentlich die ungeheuer bedeutende alte Geschichte einiger heute arabischer Länder für die Künstler eine Rolle?

Rifky: Im arabischen Raum scheint die Kunst überlastet zu sein von den alten Kulturen, die Welt sieht uns so. Auch manche Künstler finden da ihre Inspiration. Eine Arbeit von Shawky hat eine Beziehung zu Altägypten, sie hat mit Magie zu tun und alten Fabeln vom Auffinden pharaonischer Schätze. Solche Geschichten sind sehr inspirierend. Der Künstler Khaled Hafiz beispielsweise benutzt im Stil der Pop-Art Icons nach Vorbildern aus der Pharaonenzeit.


#32: Welche Auswirkungen haben die aktuellen politischen Umwälzungen in der Region auf die Kunst?

Rifky: Wir wissen es noch nicht, es entsteht noch. Die Kunst ist ein sehr langer, psychologischer Prozess. In den vergangenen drei Jahren seit dem Sturz Mubaraks hat sich jedenfalls die Zahl der Kunsträume und -institutionen in Kairo oder Alexandria sicherlich verzehnfacht. Es gibt eine neue Beziehung zum öffentlichen Raum in der Stadt, da spielen Poster und Graffitis eine große Rolle. Allein zu einer politischen Kampagne gegen die Militärgerichtsbarkeit findet man tausende Graffitis.


#32: Existiert – etwa in Ihrer Heimat Ägypten – eine Polarisierung der Künstlerszene zwischen staatsnah und staatsfern?

Rifky: Es gibt keine Staatskünstler wie in den früheren sozialistischen Staaten, aber es gibt eher offizielle und eher independent-experimentelle Kunsträume. Manche Künstler haben kein Problem, in beiden Bereichen zu arbeiten. Es gibt auch noch Leute, die in offiziellen Künstlervereinigungen Mitglieder sind, aber das verschwindet langsam, das ist nicht mehr so relevant.


#32: Haben Sie eine persönliche Vision für die Zukunft der Kunst, hier und in den islamischen Ländern?

Rifky: Ich wünschte mir, Künstler hätten im politischen Raum eine Stimme, wären stark am öffentlichen Diskurs beteiligt. Es wäre interessant, wenn man Künstler in viele Bereiche des sozialen Lebens von der Stadtplanung bis zum Erziehungswesen integrieren könnte, wie man es in Norwegen macht. Wie würden Künstler im Parlament die politischen Diskussionen dort verändern?


#32: Es gibt ausgesprochene „Hotspots“ für den internationalen Kunst-Tourismus. Wann kommen die ersten Besucher nicht nur wegen der Tempel und Pyramiden nach Ägypten, sondern wegen der aktuellen Kunst-Szene? 

Rifky: Bevor wir ein internationales Publikum einladen, müssten wir die entsprechenden Museen haben. Es wäre ein Problem, wenn die Busse kämen, denn mein Kunstraum ist zu klein.

 

Für #32 sprach Gerd Korinthenberg mit der Ägypterin, die als „shooting star“ in der Kuratoren-Szene ihres Landes gilt, über die Besonderheiten der Kunst und Künstler in der arabischen Welt – auch vor dem Hintergrund der dortigen politischen Umwälzungen. 

Einen Mitschnitt des Vortrags von Sarah Rifky am 18.09.2014 bei F3 im Schmela Haus gibt es hier:

on record: Sarah Rifky