Kunstsammlung NRW
Gerhard Richter, Fuji, 1996, © Gerhard Richter, Köln

#32 fragt: Hubertus Butin über die Editionen Gerhard Richters

"Es muss ja nicht immer Öl auf Leinwand sein": Anlässlich der Ausstellung „Gerhard Richter. Die Kunst im Plural“, die für 3 Wochen lang im K20 am Grabbeplatz zu Gast ist, sprechen wir mit dem Kunsthistoriker Hubertus Butin über die Editionen des erfolgreichsten deutschen Künstlers.

 

#32: Gerhard Richter hat seit 1965 mehr als 160 Editionen in den verschiedensten Techniken von der Fotoarbeit bis zum Künstlerbuch, vom Auflagenobjekt bis zur Druckgrafik geschaffen. Kurze Frage: Warum?

Die Produktion von Editionen, also von künstlerischen Originalen in Auflage, hängt für Richter zwar motivisch eng mit seiner Malerei zusammen, doch technisch und medial bilden sie einen wichtigen eigenständigen Bereich. Es gibt Editionen, deren Konzept in Form von Druckgrafiken oder Objekten viel besser umzusetzen war als in der Malerei.

Außerdem sind die Editionen für den Künstler ein äußerst vielfältiges und experimentelles Spielfeld, das mehr Möglichkeiten bietet als die bloße Produktion von Unikaten. Er selbst meinte kürzlich in einem Interview: "Ich bin mehr an Bildern interessiert als an Malerei." Dies zeigt, wie wichtig ihm ein grundsätzliches Nachdenken über die Möglichkeiten und Bedingungen heutiger Bildproduktion ist, und dabei sind die Editionen nicht weniger relevant als die Unikate.

#32: Mitte der 1960er Jahre wurde in vielen Bereichen der bundesdeutschen Gesellschaft ein Aufbruch spürbar: Sind Richters Editionen auch in diesem Zusammenhang zu sehen, Stichwort „Demokratisierung“ der Kunst – ähnlich wie bei Joseph Beuys?

Die sogenannte "Demokratisierung des Kunstkonsums" war um 1970 ein wichtiges gesellschaftspolitisches Ziele vieler Künstler, Galeristen und Verleger. Damals wurden manche Editionen Gerhard Richters für 8 oder 10 DM angeboten. Die damit verbundene Erreichbarkeit eines größeren Publikums spielt für den Künstler immer noch eine wichtige Rolle, selbst wenn die Editionen heute natürlich teurer sind. Dieses Sendungsbewusstsein zielt aber nicht nur auf den Markt, sondern auch auf eine ideelle Ebene, da Richters "Kunst im Plural" ja grundsätzlich von einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen und reflektiert werden kann. 

#32: Auffällig ist in Richters Editions-Gesamtwerk die Häufung von Druckgrafiken in Verbindung mit Fotografien. Warum ist ihm diese – man kann sagen industrielle – Methode der Bildwiedergabe so wichtig.

Seit 1965 hat Gerhard Richter für seine Druckgrafiken, die den größten Teil der Editionen ausmachen, ausschließlich fotomechanische Reproduktionstechniken eingesetzt: Offsetdruck, Siebdruck, Heliogravüre, Lichtdruck und Tintenstrahldruck. Damit hat er – Andy Warhol vergleichbar – den Gegensatz von industrieller Technik und künstlerischer Handarbeit untergraben. Außerdem wurde auf diese Weise der Produktionsprozess entmystifiziert, denn eine betont subjektzentrierte Handschrift, wie man sie von der Radierung oder vom Holzschnitt kennt, wird hier verweigert. Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Populärkultur und den Massenmedien lenkte in den 1960er und 70er Jahren die Aufmerksamkeit nicht nur auf die fotografischen Motive dieser Bildwelten, sondern auch auf die Darstellungsmittel der Reproduktionsverfahren wie etwa das Druckraster, das sowohl Richter, aber bekanntermaßen auch Sigmar Polke und Roy Lichtenstein, fasziniert hat.

#32: In der letzten Zeit werden die Editionen Richters in der Kunstwelt verstärkt wahrgenommen. Hat das schlicht mit dem großen internationalen Ruhm des Künstlers zu tun, oder gar mit den exorbitanten Preisen für seine nahezu unerschwinglichen Unikate? Welche Gründe sehen Sie für die Neubewertung dieses Aspekts im Schaffen Richters?

Gerhard Richter gilt international als der bedeutendste und erfolgreichste deutsche Künstler der Gegenwart. Ich bin immer wieder überrascht, in wie vielen Museen weltweit Richter-Arbeiten zu finden sind. Davon haben natürlich auch die Editionen profitiert, die in den letzten Jahren tatsächlich immer mehr in den Fokus des Interesses gerückt sind. Das liegt jedoch nicht nur an den – im Vergleich zu den Unikaten – günstigeren Preisen, sondern auch an der besonderen kunsthistorischen Wertschätzung dieser Arbeiten. Manche Museumsleiter, aber auch private Sammler wie Professor Thomas Olbricht, haben den Reiz und die Bedeutung solcher Werke schon seit Langem erkannt und dementsprechend ihre Sammlungsaktivitäten ausgerichtet. Es muss ja nicht immer nur Öl auf Leinwand sein.


H
ubertus Butin lebt und arbeitet in Berlin und ist Herausgeber des im März 2014 erscheinenden Werkverzeichnisses der Editionen von Gerhard Richter. Das Werk Richters ist ihm seit langem vertraut: In den 1990er Jahren arbeitete er als kunsthistorischer Assistent im Atelier des Künstlers. Mehr von Hubertus Butin gibt es für die Besucher des KPMG-Kunstabends am 5. März. Dann ist der Kunsthistoriker im K20 zu Gast (20.00 Uhr).

Die Fragen für #32 stellte Gerd Korinthenberg im Januar 2014.

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