Kunstsammlung NRW
Installationsansicht: Matthias Wollgast, "The shared Oasis of the Gift Shop", 2014, Ausstellungsdesign in Zusammenarbeit mit Edi Winarni, Foto: Moritz Wegwerth
artists, live

„Über allem die Idee“: 3 Fragen an Matthias Wollgast

Matthias Wollgast fotografiert ohne Kamera, malt ohne der Malerei verpflichtet zu sein und arbeitet konzeptionell ohne Konzeptkünstler genannt werden zu wollen. Seine Werke variieren zwischen handkolorierten Fotografien, Künstlerbüchern, Postkarten, Objekten und Rauminstallationen. Zum Düsseldorf Photo Weekend wird er vom 30. Januar bis zum 5. Februar im F3 Schmela Haus seine Installation „The shared Oasis of the Gift Shop“ präsentieren - Arnika Fürgut hat ihm für #32 drei Fragen gestellt.


Deine Installation im F3 Schmela Haus trägt den Titel The shared Oasis oft the Gift Shop in ihr präsentierst du einzelne Originalwerke aber auch Postkarten und Künstlerbücher. Sollen wir sie also tatsächlich als eine Art Shop verstehen?

Matthias Wollgast: Eigentlich ist die Installation mehr das Zitat eines Shops als ein Shop selbst, wie auch der Titel an ein Zitat Douglas Couplands angelehnt ist. Ich habe mich im Vorfeld der Arbeit mit Boris Groys beschäftigt, der in „Über das Neue“ (1992) das Gedankenmodell des Raumes valorisierter Kultur beschreibt. Dieses zweipolige Modell eines abstrakten Raumes habe ich versucht auf den konkreten Raum des Museums zu übertragen: der valorisierte, aufgewertete Raum steht hier dem „profanen Raum“ gegenüber – um in diesem Beispiel zu bleiben: Betritt man das Museum, bewegt man sich von der Welt außerhalb in einen aufgewerteten Kontext. Das bedeutet, dass profane Gegenstände im Kontext des Museums zu Kunst werden; man denke nur mal an die Readymades. Das für mich Interessante an diesen beiden Räumen ist, dass der Austausch zwischen ihnen in gegenseitige Richtungen verläuft: profane Dinge werden aufgewertet, valorisierte Dinge entwertet und trivialisiert.

Mich beschäftigt also die Frage nach der Abhängigkeit von Kunst zu ihrem jeweiligen Kontext und darauf basierend der ständige Wechsel zwischen Kontextualisierung, (Ent-)Wertung und Zuschreibung. Dem Raum des „Gift Shops“ kommt hier – wie ich finde – eine ganz besondere Rolle zu, da er den Ausstellungsräumen in einigen Museen geografisch immer näher rückt. Dabei wird er eigentlich zur Membran oder auch Schnittstelle zwischen dem valorisierten und profanen Raum, zwischen dem Innen und Außen des Museums. Verläuft diese räumliche Bewegung parallel zu einer inhaltlichen Annäherung? Die Werke der Ausstellungen werden dort als profane Repliken wie Postkarten, Plakate und Kataloge angeboten und so stark trivialisiert. Stehen wir am Ende einer Ausstellung also vor einem kartierten Postkartenständer – ähnlich dem in meiner Installation – voller Signifikanten und Verweise auf originale Werke, die wir zu kennen meinen, obwohl wir sie vielleicht noch nie im Original gesehen haben?


Das Handwerk spielt in deinem Werk eine gro
ße Rolle auch wenn man es nicht auf den ersten Blick erkennt, kommst du eigentlich aus der Malerei; arbeitest mit kameraloser Fotografie und kolorierst deine Werke von Hand. Wie gewichtest du handwerkliches Arbeiten in deinem Werk?

Wollgast: Ich würde nicht sagen, dass das Handwerk eine große Rolle spielt, es ist eher die Frage nach der Bedeutung von Handwerk, mit der ich mich auseinandersetze. Obwohl ich mich nicht unbedingt primär als Maler oder Zeichner sehe, bin ich selbst das wichtigste Werkzeug und Instrument meiner Werke. Mit der kameralosen Fotografie arbeite ich mit einem Medium, in dem ich eine eigene und sehr spezifische Methode entwickelt habe, hier muss ich laufend ästhetische Entscheidungen treffen und diese ausführen. Trotzdem steht die Idee eines Werkes für mich immer über der Ausführung, sie hält die einzelnen Komponenten zusammen. Es klingt vielleicht paradox, aber ich verwende tatsächlich sehr viel künstlerische und handwerkliche Energie darauf, mich selbst aus meiner Arbeit herauszunehmen. Auf meinen Postkarten beispielsweise ist die einzige Spur zu mir als Künstler und Produzenten mein kleingedruckter Name auf der Rückseite, über das Motiv allein würde man nicht auf einen künstlerischen Eingriff von mir schließen können.


Du arbeitest sowohl inhaltlich als auch formal sehr komplex, alle deine Arbeiten haben mehrere Ebenen, verweisen aufeinander, werden von dir verdichtet, wieder voneinander entfernt und in immer neue Zusammenh
änge gesetzt. Gibt es eine übergeordnete Thematik, die sich wiederholend wiederfindet? Woran arbeitest du momentan?

Wollgast: Momentan beschäftige ich mich mit der Kunstgeschichte – nicht im Sinne einzelner exemplarischer Werke, sondern als Phänomen der Geschichtsschreibung und Konstruktion ebendieser. Wael Shawky hat dieses Thema in seinen Cabaret Crusades im K20 gerade erst angedeutet: Geschichte ist immer auch Konstruktion, von einzelnen teils subjektiven Quellen und Überlieferungen geprägt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, vielleicht sogar gespickt mit Manipulationen, Fakes und Fehlinformationen. Bei der Geschichte der Kunst wird dies meiner Meinung nach besonders offensichtlich: sie hätte auch ganz anders ausfallen können. Deswegen habe ich in meinem Buch "OBMOKhU 79" mit THE RECONSTRUCTIVISTS eine Künstlergruppe und damit einen Teil der Kunstgeschichte in der Form eines Fakes konstruiert, der 1976 tatsächlich Realität hätte sein können – es aber nie war. Bewerten wir unsere Wahrnehmung der Realität anders, wenn wir einmal durch Fehlinformationen getäuscht wurden, diese aber entlarven konnten? Dies ist beispielsweise eine Art übergeordneter Frage, die mir in meinem Werk immer wieder begegnet.

 

„The shared Oasis of the Gift Shop“ ist im Rahmen des Düsseldorf Photo Weekend vom 30.01. – 01.02.15 im F3 Schmela Haus zu sehen, der Eintritt ist frei. 

Matthias Wollgast wird am 5. Februar um 19 Uhr im F3 Schmela Haus mit Dr. Doris Krystof, Kuratorin der Kunstsammlung, über seine Arbeit sprechen. Im Rahmen dessen ist die Installation geöffnet. Der Eintritt ist frei. Informationen zur Veranstaltung hier.

www.matthias-wollgast.de

 

Fotos: Matthias Wollgast, The shared Oasis of the Gift Shop, 2014, Ausstellungsdesign in Zusammenarbeit mit Edi Winarni, Fotograf: Moritz Wegwerth. Interview: Arnika Fürgut